Mias verlorene Liebe
war unglaublich grausam.“
„Ich bevorzuge den Ausdruck realistisch. “ Unbewegt sah er sie an, die Wangenmuskeln angespannt. Nur eine Ader, die an seiner Schläfe pochte, verriet seinen inneren Aufruhr.
Mia wurde blass. „Ich habe doch angeboten …“
„Mir ist schon klar, was du angeboten hast!“, herrschte er sie an. „Wie gesagt: Mir ist nicht mehr danach. Aber wenn es dein Gewissen erleichtert, dann – formulieren wir es doch so – habe ich eben noch ein Mal gut“, beendete er den Satz zynisch.
Wieder zuckte Mia zurück. „So nennst du das …?“
„Klar. Wenn ich wieder einmal in der Stadt bin und Lust auf unverbindlichen Sex habe, dann weiß ich ja, an wen ich mich wenden kann.“
Sollte Ethan es darauf angelegt haben, mich demütigen zu wollen, dann ist es ihm gelungen! Mias Wangen brannten vor Scham.
„Ich habe einen Fehler gemacht, okay, aber das ist noch lange kein Grund, so gemein zu sein!“
Bei Weitem nicht gemein genug, schoss es Ethan durch den Kopf.
Als Mia ihn geküsst hatte, hätte ihm klar sein müssen, worauf das Ganze hinauslief: auf einen großen Fehler. In dieser Situation war es Mia doch gar nicht möglich, sich auf ihn einzulassen. Er war lediglich ein austauschbares Mittel zum Zweck, um diese schrecklichen Bilder aus dem Kopf zu bekommen, die er ihr gezeigt hatte.
Ethan riss sich zusammen. „Ich glaube, ich gehe jetzt besser.“
„Ja.“
Nach diesem Abend dürfte die Chance auf eine gute Beziehung zwischen ihnen beiden endgültig gegen null gehen, schätzte Ethan. Und damit hatte er auch den Zweck seines Besuchs torpediert.
„Du hast mir noch nicht mitgeteilt, was du in Bezug auf deinen Vater beschlossen hast.“
Mia stand auf und wandte sich ab. Sie zupfte ihre Kleidung zurecht, um Zeit zu gewinnen. Ethan hat ja recht, dachte sie: Ich habe ihn benutzt. Und ihr ungeschickter Versuch, ihn auch auf seine Kosten kommen zu lassen, hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
„Vielleicht willst du William ja auch weiterhin im Ungewissen lassen?“
Mia wirbelte herum und funkelte Ethan wütend an. „Ich habe keine Ahnung, was ich tun werde, verstehst du?“ Und das war die traurige Wahrheit.
Es tat ihr zwar im Herzen weh, dass ihr Vater geglaubt hatte, sie sei die Person auf jenen Fotos gewesen. Das änderte jedoch nichts daran, dass die Vergangenheit weiterhin zwischen ihnen stand. Vor allem der Selbstmord ihrer Mutter und die Beziehung zwischen ihrem Vater und Grace Black.
Mia runzelte die Stirn. „Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken.“
„Und währenddessen kann dein Vater ruhig weiterleiden?“
Kämpferisch hob sie das Kinn, als sie Ethans verächtlichem Blick begegnete. „Habe ich dir verboten, ihm von mir zu erzählen?“
„Ich dachte, ich hätte gestern unmissverständlich klargemacht, dass ich kein Befehlsempfänger bin, dem man sagen kann, was er zu tun oder zu lassen hat.“
Gestern!
Konnte es wirklich erst vierundzwanzig Stunden her sein, seit Ethan wieder in ihr Leben getreten war? Mia hatte das Gefühl, seitdem buchstäblich um Jahre gealtert zu sein.
Sie seufzte tief auf. „Wie gesagt: Es steht dir frei, meinen Vater zu informieren …“
„Oh nein, meine Liebe, so einfach kannst du es dir nicht machen!“, unterbrach Ethan sie in schneidendem Ton. „Ich bin doch nicht dein Laufbursche! Wenn dir etwas daran liegt, William wissen zu lassen, dass du noch lebst, dann sag ihm das gefälligst selber!“
„Vielleicht werde ich auch genau das tun!“, schleuderte sie ihm entgegen.
„Wann?“
„Wenn ich so weit bin.“
„Du meinst, falls du jemals so weit sein solltest!“
„Hör auf, mich zu bedrängen, Ethan. Ich habe dir gesagt, ich weiß nicht, was ich tun werde. Aber eines verspreche ich dir: Du wirst der Erste sein, der davon erfährt, wenn ich mich dazu entscheide. Okay?“
„Nein, das ist nicht okay. Meine Einschätzung bestätigt sich: Du bist zu einer kaltherzigen, selbstsüchtigen … ach, was soll’s.“ Er brach ab und ging zur Tür.
Mit zitternden Händen griff Mia nach dem Weinglas auf dem Couchtisch und nippte daran, um sich zu beruhigen. Auf keinen Fall werde ich vor ihm zusammenbrechen, schwor sie sich. Nie wieder würde sie ihm die Genugtuung bereiten, ihre Gefühle …
„Ach ja, Mia. Noch eins!“ Bereits in der geöffneten Tür stehend drehte Ethan sich zu Mia um.
„Was denn?“
„Nur damit du Bescheid weißt …“ Er trat in den Flur hinaus. „Es mögen Monate oder sogar Jahre vergehen, aber
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