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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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drei Jahre in Deutschland. Aber dass ich nicht im Paradies gelandet war, hatte ich schon bald begriffen. Das Geld lag auch in Almanya nicht auf der Straße. Nein, hier wurde hart gearbeitet. Sechzehn bis achtzehn Stunden am Tag habe ich geschuftet. Frühschicht in der Fabrik, danach daheim am Küchentisch. Auch meine Ehe war nicht das, was ich mir erträumt hatte. Prügel und Vergewaltigung waren an der Tagesordnung. Aber ich bin ein optimistischer Mensch, irgendwie glaubte ich lange Zeit, dass eines Tages alles gut werden würde. Und, ich hatte meinen Glauben. Ich trug ein Kopftuch und hielt den Ramadan ein. Nein, ich bin keine streng gläubige Muslimin. Aber ich bete, wenn auch nicht fünfmal am Tag, so doch morgens beim Aufstehen und abends vor dem Einschlafen. Wann immer ich das Haus verlasse, spreche ich mit Gott und bitte ihn um seinen Schutz.
    Und ich war eine gute Ehefrau. Wann immer Mustafa Sex wollte, hat er ihn bekommen, freiwillig oder unfreiwillig. Spaß gemacht hat es mir selten, am Anfang vielleicht, aber dann nicht mehr. War das auch der Grund, warum ich nicht mehr schwanger wurde? An mangelnder Häufigkeit kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Denn er hat mich mindestens drei-, viermal in der Woche bestiegen. Anders kann ich es nicht nennen. Wie auch immer, ich wurde nicht schwanger. Nein, verhütet habe ich damals auch nicht. Ich hatte doch keine Ahnung. Ich wusste weder, dass es die Pille gab, noch hatte ich von Spiralen oder Monatsspritzen gehört. Für mich war das auch in Ordnung. Ich hatte sowieso nur zwei Kinder gewollt, und eins war für mich auch völlig ausreichend. Ich liebte Can und würde ihn bald zurück nachDeutschland holen. Aber ich hatte nicht mit meiner Schwiegermutter gerechnet. 1981, in meinem dritten Jahr in Deutschland, fing sie an zu nörgeln. »Warum wirst du nicht schwanger, atgötü ? Pferdearsch, was ist mit dir los, du wirst doch nicht unfruchtbar geworden sein?« Ich hörte ihre Sticheleien alle, aber ernst genommen habe ich sie nicht. Es kam mir auch nicht in den Sinn, dass sie mit ihrem Sohn darüber sprechen würde. Und dass sie sich bei ihm nicht mit Sticheln begnügen würde. Nein, nachdem ein weiteres Jahr ins Land gezogen war und sich bei mir immer noch kein zweites Kind ankündigte, hatte sie – hinter meinem Rücken – den Plan Semra ausgearbeitet.
     
    In jenem Sommer fuhren wir alle in die Türkei, mit dem eigenen Auto. Die Schwiegermutter hatte einen Ford Transit gekauft. Mustafa hatte seit kurzem den Führerschein, es sollte seine erste große Fahrt werden. In unserem Ford konnte man bis zu neun Personen befördern. Wir waren zwar zu zehnt, aber zwei der Kinder zählten nicht wirklich, sie waren noch zu klein. Mit uns kamen noch mein Bruder Bekir und meine Schwägerin Zeynep. Die beiden lebten seit kurzem in München, weil sie im Norden keine Arbeit gefunden hatten. Jetzt wollten sie in Oberbayern ihr Glück versuchen. Bekir hatte tatsächlich schon eine Stelle angenommen, Zeynep suchte noch. In jenem August fuhren wir also wie viele Türken mit Sack und Pack über Österreich, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien in die Türkei.
    Die Fahrt dauerte drei Tage. Und dabei sind wir sozusagen ohne größere Pause durchgefahren. Mustafa hat sich mit meinem Bruder abgewechselt. War Mustafa müde, übernahm Bekir und fuhr so lange, bis mein Mann wieder frisch fürs Lenkrad war. Wir anderen waren auf den hinteren Sitzen eingepfercht und harrten aus. Dass man sich kaum bewegen konnte, war besonders für die Kinder schlimm. Wann immer wir anhielten, sprangen sie aus dem Auto und tobten wie wild über die Rastplätze. Ziemlich müde und erledigt kamen wir schließlich in Istanbul an. Wir machten einen Tag im Haus von Mustafas Großmutter Pause,und ich staunte nicht schlecht, als ich die Fortschritte am Haus sah. Aus den ursprünglich zwei Stockwerken waren inzwischen vier geworden, von denen das dritte bereits fertig gestellt war. So hatten wir eine eigene Wohnung und jeder von uns ein eigenes Bett. Bei der Gelegenheit wurde es mir auch bewusst, wie viel Geld Mutter jeden Monat überwies. Da war mir plötzlich klar, warum wir in Deutschland so sparsam lebten. Weil das ganze Geld, das wir verdienten, hierher floss. Natürlich habe ich nichts gesagt. Das stand mir nicht zu. Aber irgendwie hat das einen Stachel in mein Fleisch getrieben, der sich über die Jahre immer tiefer bohrte und keine Ruhe mehr gab.
    Nach einem Tag Ruhepause sind wir weitergefahren, Richtung

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