Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
erzählte ihm alles. Er brachte mir einen Stuhl und ein Glas Wasser. Dann riet er mir, mich im Krankenhaus untersuchen zu lassen. Mir war alles Recht. Also ging er zum Betriebsleiter, um ihn zu informieren. Der brachte mich dann persönlich in die nächste Klinik.
In der Notaufnahme stellte man viele Prellungen und ein Halswirbeltrauma fest. Ich bekam eine Halskrause und wurde stationär aufgenommen. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, brachte man mich in ein helles Dreibettzimmer. Ich war die einzige Patientin. Gott sei Dank, so brauchte ich wenigstens mit niemandem zu reden. Obwohl ich starke Schmerztabletten bekommen hatte und todmüde war, konnte ich nicht schlafen. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück, ich musste Mustafa verlassen. Egal was die Familie dachte. Aber was würde mit den Kindern passieren? Würde Mustafa sie mir wegnehmen? Wer würde das Sorgerecht bekommen? Er? Ich? Und wie sollte ich das schaffen? Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf, und ich hatte keine Antworten. Irgendwann bin ich dann doch eingeschlafen.
Ich musste eine Woche im Krankenhaus bleiben. Aber ich wollte niemanden sehen. Mustafa schon gar nicht. An der Pforte hatte ich Bescheid gesagt, offiziell war ich also nicht Patientin dieser Klinik. Nur mein Arbeitskollege Zoran kam mich besuchen. Er kam jeden Tag und hat mich mit Blumen und Obst verwöhnt. Einmal brachte er eine Kollegin, eine Deutsche, mit. Zoran hatte ihr meine Geschichte erzählt und hoffte, dass sie mir helfen könnte. Sie regte sich wahnsinnig auf, so etwas könne doch nicht angehen, ein Mann dürfe seine Frau doch nicht halbtot schlagen. Sie bot mir an, sich in einem Frauenverein zu erkundigen, wo ich Hilfe bekäme. Solche Fälle seien leider keine Seltenheit, und für geschlagene Frauen wie mich gäbe es spezielle Frauenhäuser, vielleicht könne ich dort wohnen. Das waren gute Nachrichten, und ich schöpfte ein wenig Hoffnung.
Später habe ich erfahren, dass Mustafa mich überall gesucht hat. Auch in diesem Krankenhaus hatte er nachgefragt, aber ganz offensichtlich hatte man ihn abgewiesen. Ich war froh, dass ich niemanden sah, so konnte ich in Ruhe nachdenken und mir überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte. Zoran war eine große Hilfe. Er bot mir an, mich zunächst einmal bei seinem Bruder unterzubringen, bis geklärt sei, wo ich wohnen könnte. Kurz vor meiner Entlassung gestand er mir seine Liebe. Dass er mich schon lange bewundere, sich aber nie getraut habe, mich näher kennen zu lernen. Ich hätte immer so unnahbar gewirkt. So etwas hatte ich schon geahnt, es mir aber nie eingestanden. Freilich hat es mir gefallen, aber ich wusste nicht, was jetzt werden sollte. Ich musste mich erst einmal von Mustafa trennen, bevor ich mich auf eine neue Beziehung einlassen konnte.
Als ich entlassen wurde, trug ich immer noch eine Halskrause und war für die nächsten Wochen krankgeschrieben. Zoran holte mich ab und brachte mich zu seinem Bruder. Das war ein bisschen heikel, denn der wohnte bei meinen Schwiegereltern um die Ecke. Ich musste also sehr vorsichtig sein, denn ich wollte auf keinen Fall gesehen werden. Dann kam das Gespräch bei der Beratungsstelle. Meine Kollegin hatte einen Termin vereinbart und begleitete mich. Obwohl die Frau dort sehr freundlich war, brachte ich kaum einen Ton heraus. Immer wieder liefen mir die Tränen herunter, schließlich brach ich schluchzend zusammen. Die Kollegin hat dann meine Geschichte erzählt und berichtet, was in den letzten drei Wochen alles passiert war. Frau M. brachte mir ein Glas Wasser und hörte genau zu. Dann klärte sie mich auf. Dass ich in ihrer Einrichtung leider nicht wohnen könne, weil es nur eine Beratungsstelle sei, aber dass es ein Frauenhaus in der nächsten Kreisstadt gebe. Die seien zuständig und könnten mich wahrscheinlich aufnehmen. Aber die Kreisstadt war vierzig Kilometer entfernt. Wie sollte ich dort wohnen und hier im Ort meiner Arbeit nachgehen? Das würde ohne Auto nicht funktionieren. Denn morgens um halb fünf fuhren weder ein Zug noch ein Bus. Der erste Zug ging um sechs. Natürlichgäbe es auch in München ein Frauenhaus, das sei zwar näher, aber leider hoffnungslos überfüllt. Damit war diese Möglichkeit gestorben, denn ich konnte es mir nicht leisten, auch noch meine Stelle zu verlieren.
Inzwischen hatte ich mich wieder beruhigt und konnte von meinen Kindern erzählen, dass sie jetzt beim Vater seien, ich aber auf jeden Fall die
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