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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Ein-Zimmer-Apartment, aber für mich war es ein Königreich. Das allererste Mal in meinem Leben hatte ich eine eigene Bleibe. Ich konnte entscheiden, welche Farbe die Wände hatten und welche Vorhänge ich aufhängen wollte – eine ungekannte Freiheit. Mein Freund half mir damals sehr. Er hat die erste Monatsmiete bezahlt und mir ein paar alte Möbel besorgt. Ich hatte ja nichts, keinen Tisch, kein Bett, nicht mal einen Stuhl, geschweige denn ein Sofa. Nachdem mein kleines Reich einigermaßen wohnlich war, fuhr ich sofort zum Frauenverein und teilte meine neue Adresse mit. Frau M. freute sich für mich. Aber sie sah natürlich sofort, welches Problem auf mich zukommen würde. Die Wohnung war zu klein für mich und die Kinder. Das könnte beim Vormundschaftsgericht gegen mich sprechen. Also rief sie meinen Anwalt an und veranlasste ihn, die Zuweisung einer Familienwohnung zu beantragen.
    Am 21. April 1998 erhielt ich das vorläufige Sorgerecht für die Kinder. Als mir Frau M. den Brief vom Anwalt vorlas, war ich unendlich erleichtert. Ich würde die Kinder zu mir holen können. Mit Hochdruck suchte ich jetzt eine größere Wohnung. Meine Arbeitskollegin half mir dabei sehr. Sie rief im Namen unserer Firma bei verschiedenen Wohnungsgesellschaften an und erkundigte sich nach freien Wohnungen. Nur so hätte ich eine Chance, sagte sie mir. Und da hatte sie wahrscheinlich Recht. Ich musste auch mit den Kindern sprechen. Seit meiner Flucht vor mehr als vier Monaten hatte ich sie nicht mehr gesehen. Frau M. stimmte mir zu, und gemeinsam planten wir ein Wochenende, das die Kinder bei mir verbringen sollten. Den Besuch hatte ich per Beschluss des Amtsgerichts durchgesetzt. Aber mir war klar, dass Mustafa die Kinder freiwillig nicht rausgeben würde. Ich besprach mich mit Frau M., und gemeinsam beschlossen wir, die Polizei einzuschalten. So sind wir Ende April an einem Donnerstagnachmittag zu den Schwiegereltern gefahren, drei Polizeibeamte, Frau M. und ich.
    Ali spielte im Hof und freute sich, als er mich sah. Die anderen waren wohl im Haus. Ich sprach mit meinem Jüngsten und fragte ihn, ob er mitkommen wolle. Nein, er würde nur kommen, wenn Birgül auch käme. Inzwischen waren die Polizisten mit dem Beschluss des Amtsgerichts hineingegangen. Kurze Zeit später kamen sie wieder heraus und teilten mir mit, Birgül wolle nicht mitkommen. Sie baten mich herein. Drinnen waren alle versammelt, Mustafa, die Eltern , die Brüder und deren Frauen. Birgül saß bei ihrer Großmutter. Sie schaute mich nicht mal an. Als ich den Raum betrat, sprang Mutter auf und brüllte: »Raus hier, raus hier.« Und die anderen schimpften auf Türkisch. Was für eine Nutte ich sei, dass ich die Kinder nicht verdient hätte und weitere derartige Dinge. Dann sprang Vater auf und schrie: »Ich bring dich um!«
    Obwohl ich die Einzige war, die jedes Wort verstand, trat die Polizei den Rückzug an. Sie müssen wohl am Tonfall verstanden haben, worum es ging. Draußen haben wir uns beraten und beschlossen,die Kinder hier zu lassen. Wir wollten sie nicht mit Gewalt mitnehmen. Unverrichteter Dinge sind wir wieder weggefahren. An jenem Wochenende lag ich die meiste Zeit im Bett. Ich hatte schreckliche Migräne.
     
    Zwei Wochen später erfuhr ich, dass meine Kinder vier Tage nach meinem Besuch bei den Schwiegereltern Deutschland verlassen hatten. Die Großeltern hatten sie in die Türkei gebracht. Sie waren ordnungsgemäß von der Schule abgemeldet worden, und am nächsten Tag waren sie weg. Eigentlich hätte das gar nicht gehen dürfen, denn Ali hatte noch keinen eigenen Ausweis, er war in meinem eingetragen. Aber mit Pässen hatte meine Familie ja noch nie Schwierigkeiten. Sie hatten dem Kleinen kurzerhand den Kinderausweis seines gleichaltrigen Cousins in die Tasche gesteckt, und damit war er – völlig unbehelligt – ausgereist. Besonders makaber: Der Mitarbeiter des Jugendamtes hatte von der Schulabmeldung gewusst und mich nicht informiert. Auch Mustafas Anwalt hatte davon erfahren und sich nicht mitgeteilt. So war es meinem Mann gelungen, unsere Kinder außer Landes zu schaffen. Aber ich hatte keine Energie mehr, mich aufzuregen. Ich war am Boden zerstört. Ohne meine Kinder hatte mein Leben keinen Sinn mehr.

Aus und vorbei
    Am 15. Mai 1998 erstattete ich wieder Anzeige gegen Mustafa und die Schwiegereltern. Diesmal wegen Kindesentzug. Aber meine Kinder konnte keine Anzeige dieser Welt zurückbringen. Sie waren mit den Großeltern in der Türkei,

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