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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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Mädchen sei und dass er sie über alles liebe. Nachdem ich die ganze Geschichte gehört hatte, war mir klar, dass es Can ernst war. Er war nicht mehr mein kleiner Junge, er war erwachsen geworden.
    In dieser Nacht fuhr ich meinen Sohn zu seiner Freundin Tanja. Mustafa habe ich nicht gefragt, ich wusste ja sowieso, was er sagen würde. Den Autoschlüssel hatte ich bei mir, also brauchte ich nicht mehr hoch in die Wohnung zu gehen. Auf der Fahrt redeten wir kaum, ich glaube, wir hatten beide Angst. Gegen Mitternacht war ich wieder da. Als ich nach Hause kam, war mein Schwager weg, und Mustafa schlief schon. Ich legte mich im Wohnzimmer aufs Sofa, aber es dauerte lange, bis ich eingeschlafen war.
    Am nächsten Morgen machte ich die Kleinen für die Schule fertig. Als sie draußen waren, fing Mustafa wieder an. Wie ein Pascha saß er da und verhörte mich. Immer wieder wollte er wissen, wo ich letzte Woche gewesen sei. Bei wem, was ich gemacht habe? Ich versuchte ruhig zu bleiben und antwortete: »Du weißt doch, wo ich war und dass ich alleine war.«
    Und dann schrie ich mit zugeschnürter Kehle: »Ist das jetzt dein Problem? Dein Sohn ist weg. Und du willst nicht mal wissen, wo er ist! « Dann rannte ich in die Küche. Ich konnte nicht mehr. Jetzt war es endgültig genug.
    Völlig verzweifelt riss ich die Schublade auf, holte ein Küchenmesser heraus und rammte es mir, ohne zu überlegen, in den Bauch. Aber das Messer war zu stumpf, es glitt ab, und ich verletzte mich nur leicht. Da hielt ich inne. Was machte ich da eigentlich? Ich konnte mir doch jetzt nicht das Leben nehmen. Was würde aus den Kindern werden? Da war Mustafa schon hinter mir. Er hatte offensichtlich nichts bemerkt und fing an, auf mich einzuschlagen. Früher hatte er immer darauf geachtet, dass er mich nicht im Gesicht erwischte, aber das war ihm jetzt egal. Blind schlug er zu und traf mich überall, am Arm, am Rücken, am Bauch und am Kopf. Ich war einer Ohnmacht nahe. Als er eine Pause einlegte, gelang es mir, aus der Küche zu fliehen. Ich rannte durch den Flur und riss die Wohnungstür auf. Nur raus hier. Draußen lehnte ich mich an die Wand, verschnaufte kurz und klingelte dann bei den Nachbarn.
    Das deutsche Ehepaar, das gegenüber wohnte, kannte ich nurvom Sehen. Wir grüßten uns immer, wenn wir uns begegneten. Aber in dem Moment war mir das egal. Der Mann, ich glaube er war schon Rentner, schaute mich erstaunt an und zog mich dann schnell in die Wohnung. Seine Frau war schon unterwegs ins Bad. Sie mussten das Geschrei aus der Nachbarwohnung gehört haben. Mit einer kleinen Plastikschüssel kaltem Wasser kam sie zurück und fing an, mir das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Mein Nachbar holte Eiswürfel aus dem Kühlfach, wickelte sie in ein Tuch und legte sie mir auf mein verschwollenes Auge. Ich beruhigte mich ein wenig und fragte dann, ob ich telefonieren dürfte.
    »Selbstverständlich«, sagte mein Nachbar und brachte mir das Telefon. Ich rief die Polizei, und eine halbe Stunde später stand ein Streifenwagen vor dem Haus. Die Beamten, ein Mann und eine ziemlich junge Frau, waren sehr freundlich. Sie befragten mich genau, was passiert sei. Stockend erzählte ich, wie Mustafa mich verprügelt hatte. Dann erstattete ich Anzeige wegen schwerer Körperverletzung. Nachdem sie alles aufgenommen hatten, sind die beiden Beamten wieder gegangen. Ich bin dann noch bis mittags bei meinen Nachbarn geblieben. Kurz bevor ich zur Arbeit musste, habe ich mich in unsere Wohnung geschlichen und meine Sachen geholt. Wieder packte ich ein paar Kleidungsstücke in eine Plastiktüte, dazu noch etwas Wäsche und meine Toilettenartikel. Mustafa saß im Wohnzimmer, beobachtete mich genau und kommentierte das Geschehen gehässig: »Ja, pack nur deinen Scheißdreck, du Schlampe.« Als ich fertig war und meinen Mantel anzog, brüllte er hinter mir her: »Du brauchst gar nicht wiederzukommen, du Nutte.«
    Dann bin ich in die Arbeit gelaufen, aber ich weiß nicht mehr, wie ich dorthin kam. Ich fühlte mich elend, der ganze Körper tat mir weh, mein Kopf raste, mir war schlecht. Als ich meinen Arbeitskittel angezogen hatte und zu meiner Maschine gehen wollte, traf ich auf Zoran Jankovic. Er war wieder da und freute sich, mich zu sehen. Aber er musste wohl gleich bemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Er nahm mich beiseite und fragtemich, wie es mir gehe. Da liefen mir schon die Tränen über das Gesicht. Ich konnte sie nicht zurückhalten, sie liefen einfach. Und ich

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