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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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mitgebracht und wollten – angeblich – sehen, wie es mir geht. Verwandtschaft war das Letzte, was ich sehen wollte. Völlig entnervt bat ich sie, den Raum zu verlassen. Weitere Besuche dieser Art würde ich nicht verkraften. Ich verständigte Frau M., die mir half, eine Kontaktsperre durchzusetzen. Ich wurde innerhalb der Klinik verlegt, und immer wenn jemand an der Pforte nach mir fragte, wies man ihn ab. Nur Frau M. und Zoran durften zu mir.
    Im Herbst eskalierte die Situation. Mustafa hatte mir wieder einmal aufgelauert. Wenn ich nicht zu ihm zurückkäme, würde er mich und anschließend sich selbst umbringen, schrie er. Ich wusste, dass er zu allem fähig war. Um ihn abzulenken, redete ich auf ihn ein und versuchte ihn zu beruhigen. So konnte ich ihn ablenken und schließlich ins Auto springen. Schnell drückte ich den Knopf runter und startete den Motor. Mit schlotternden Knien und völlig aufgelöst fuhr ich zur Polizei und erstattete Anzeige. Dieses Mal war Mustafa eindeutig zu weit gegangen. Mein Anwalt setzte eine Bannmeile durch, und mein Mann durfte sich mir auf nicht weniger als hundert Meter nähern. Doch er hat diesen Beschluss immer wieder unterlaufen. Er kümmerte sich einfachnicht darum, was deutsche Gerichte festlegten. Für ihn galten nur die Gesetze des Clans.
    Eines Abends klingelte das Telefon. Es war ein Ferngespräch aus der Türkei. Can rief an. Er war eine Weile bei den Kleinen gewesen und wollte mir jetzt etwas mitteilen. Er klang sehr ernst am Telefon, als er sagte: »Mama, das Beste wäre, du würdest dich umbringen. Das wünscht sich die ganze Familie, und zwar alle, ohne Ausnahme.« Ohne ein weiteres Wort legte er auf.
    Ich war fassungslos. War das mein Can, mein Lieblingssohn? Riet er mir, seiner Mutter, wirklich, sich das Leben zu nehmen? Warum gab er nur mir die Schuld? Sah er denn nicht, was sein Vater getan hatte? Hatte er nicht auch ihn halbtot geschlagen? Und mich, seine Mutter, jahrelang als Nutte beschimpft und verprügelt. Das musste mein Ältester doch mitgekriegt haben. Nach diesem Telefonat war ich fix und fertig. Sollte ich mich umbringen? Nur der Gedanken an die Kleinen hielt mich aufrecht. Ich durfte jetzt nicht aufgeben. Sie brauchten mich, sie waren noch viel zu jung.
    Kurz nach Cans Anruf klingelte das Telefon erneut. Diesmal war es Birgül. Es schnürte mir fast die Kehle zu, als ich die Stimme meiner Tochter hörte. Irgendwie war es ihr trotz des Verbots gelungen, meine Nummer zu wählen. Sie weinte am Telefon und konnte kaum sprechen. Schluchzend erzählte sie schließlich, dass es ihr und Ali sehr schlecht ginge. Dass sie kaum etwas zu essen bekämen, dafür aber jede Menge Schläge. Sie müsse im Wohnzimmer schlafen, und wenn der Onkel nachts betrunken nach Hause käme, würde er bei ihr im Zimmer erst einmal weitertrinken. Oft sei sie morgens so müde, dass sie sich in der Schule nicht konzentrieren könne. »Bitte, Mama, hol uns nach Hause«, sagte meine Kleine.
    In dieser Nacht hat es mir vor Sehnsucht fast das Herz zerrissen, und – wie so oft – habe ich mich in den Schlaf geweint.
    Aber wie sollte ich die Kinder nach Deutschland zurückholen? Frau M., die ja immer sehr hilfsbereit war, hatte mir inzwischen die Adresse einer Detektei besorgt. Die Leute waren darauf spezialisiert,Kinder, die in islamische Länder entführt worden waren, zurückzuholen. Aber war das der richtige Weg? Sollte ich jetzt mit den gleichen Waffen kämpfen wie Mustafa und meine Kinder auch entführen? Nein, das konnte ich nicht! Außerdem hatte Mustafa signalisiert, dass er die drei zurückbringen werde. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich nicht mitkommen wolle. Ich hatte gar keine Zeit, mir zu diesem Vorschlag eine Meinung zu bilden, weil mich schon die nächste Katastrophe ereilt hatte. Das Finanzamt hatte mir mitgeteilt, dass ich die Steuerschulden meines Mannes, nämlich 12000 DM, begleichen solle. Das waren Altlasten aus den Zeiten von Mustafas Laden. Damals, vor zwei, drei Jahren, als er das Geschäft noch betrieb, hatte er keinen Pfennig Steuern bezahlt, und jetzt kam das Finanzamt auf mich zu, weil er – immer noch – arbeitslos bzw. zahlungsunfähig war. Etwa zeitgleich meldete sich unsere Bank und schrieb, dass mein Ehemann mit den monatlichen Kreditraten in Verzug sei. Da ich den Kreditvertrag damals mitunterschrieben hatte, fragten sie mich nun, wie ich mir eine Rückzahlung vorstelle. Wieder einmal stand ich mit dem Rücken an der Wand.
    Frau M. wusste Rat. Sie

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