Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
und ich hatte keine Ahnung, ob und wann sie zurückkommen würden. Wie sollte ich weiterleben? Ich wusste es nicht. Die nächsten Monate waren ein einziger Albtraum. Da ich jetzt wieder allein stehend war, sagte ich die mir inzwischen bewilligte Familienwohnung ab. Denn ohne Kinder brauchte ich auch keine große Wohnung.
Frau M. unterstützte mich, so gut sie konnte. Immer wieder lud sie mich in die Beratungsstelle ein, damit wir reden konnten. Sie hatte mir schon viel geholfen, und ich hatte Vertrauen zu ihr gefasst. Vielleicht um vom Verlust der Kinder abzulenken, schlug sie mir eines Tages vor, jetzt doch endlich meine Sachen abzuholen. Vermutlich hatte sie Recht. Wieder rief sie bei Mustafa an und fragte nach dem Schlüssel. Und diesmal klappte es tatsächlich. Ohne großen Aufstand übergab er ihr den Wohnungsschlüssel. Zusammen mit meiner Arbeitskollegin ist sie dorthin gefahren und hat meine persönlichen Sachen abgeholt. In der Wohnung muss absolutes Chaos geherrscht haben. Der Inhalt der Schränke lag auf dem Boden verstreut. Fotos, Papiere und Kleidung, alles war durcheinander. Auf dem Tisch türmte sich die Post der vergangenen Monate. Es müssen wohl insgesamt zweihundertfünfzig unbezahlte Rechnungen gewesen sein, die sich angesammelt hatten. Die beiden haben meine Sachen zusammengesucht und dann ganz schnell die Wohnung verlassen. Dass Mustafa sofort nach seinem Umzug den Dauerauftrag für die Miete storniert hatte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Ich erfuhr es per Post. Unser Vermieter teilte mir mit, dass Mustafa seit Monaten keine Miete mehr bezahlt hatte. Die Mietschulden beliefen sich inzwischen auf knapp 9000 DM. Und da Mustafa nicht zahlen konnte oder wollte, trat der Vermieter nun an mich heran. Ich sollte die Schulden begleichen, ich sei schließlich auch Vertragspartnerin. Wie, das sagte er nicht. In meiner ersten Verzweiflung wandte ich mich an Frau M. vom Frauenverein. Und wieder wusste sie Rat: Mit Hilfe meines Anwalts einigte ich mich mit dem Vermieter darauf, dass ich den Betrag ab November in monatlichen Raten von 250 DM abzahlen würde.
Von den Kindern hatte ich immer noch keine Nachrichten. Die Schwiegereltern waren nach sechs Wochen aus der Türkei zurückgekommen, aber ohne meine Tochter und die beiden jüngeren Söhne. Mustafa stellte sich stur und beantwortete keine Fragen. Ich wusste nur, dass sie bei meinem Schwager Metin und dessen Frau in Istanbul waren, aber wie es ihnen ging, wusste ich nicht. Auch mit ihnen zu telefonieren war nicht möglich. Denn immer, wenn ich anrief, hieß es, sie seien nicht da. Die Sorge um die Kinder zerriss mich fast. Ich konnte nicht schlafen und brachte keinen Bissen hinunter.
Hier in Deutschland hielt Mustafa mich auf Trab. Er überraschte mich auf Parkplätzen, fing mich nach der Arbeit ab oder traf mich »zufällig« beim Einkaufen. Und immer wieder versuchte er, mich zur Rückkehr zu bewegen. Aber ich wollte und konnte das nicht. Zu viel war zwischen uns vorgefallen. Es war für immer vorbei! Wann kapierte er das endlich? Eines Abends, ich hatte gerade Dienstschluss und war auf dem Firmenparkplatz damit beschäftigt, mein Auto aufzusperren, da trat er von hinten an mich heran und sagte: »Ich brauch deinen Pass, Ayşe.« Ich war zu Tode erschrocken und völlig perplex. Aber er kümmerte sich nicht darum, sondern wiederholte, er bräuchte ihn dringend, weil Ali, unser Jüngster, bei mir mit eingetragen war. Er hatte es zwar geschafft, den Jungen mit einem falschen Kinderausweis außer Landes zu schaffen. Aber ihn mit falschen Papierenzurück nach Deutschland zu holen, das würde nicht funktionieren. Als ich ihm klar gemacht hatte, dass ich ihm meinen Pass nicht geben würde, ist er wutentbrannt und mit quietschenden Reifen davongefahren. Am nächsten Morgen waren meine Autoreifen zerstochen. Das war das zweite Mal innerhalb von vier Wochen.
Die Kinder waren inzwischen drei Monate weg. Noch konnten sie ohne Probleme zurückkommen, aber wenn sie noch weitere drei Monate außer Landes blieben, würde ihre Aufenthaltserlaubnis für Deutschland automatisch erlöschen. Bei diesem Gedanken ergriff mich erneut Panik, und ich wusste nicht, was zu tun sei. Alles wuchs mir über den Kopf, und ich brach zusammen, diesmal mit akuten Nierenbeschwerden. Wieder wurde ich mit Blaulicht in die Klinik gebracht. Einen Tag nach meiner Einlieferung bekam ich Besuch. An meinem Bett standen plötzlich meine beiden Schwägerinnen. Sie hatten Blumen
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