Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
sie in die Arme schließen. Muhammed war zurückhaltender, er küsste mich kurz auf die Wangen und wandte sich dann gleich seinem Vater zu. Auch Mustafa hatte die Kinder ein ganzes Jahr nicht gesehen. Birgül und Ali quetschten sich zu mir auf den Rücksitz, als wir zum Haus von Mustafas Großmutter fuhren. Sie redeten ohne Unterlass, erzählten von der Schule und ihren Freunden in der Straße. Und dann fragten sie, wann wir wieder nach Hause fahren würden. Immer wieder drückte und küsste ich sie. Wie sehr hatte ich sie vermisst.
Die Kinder dachten wohl, Mama und Papa seien wieder zusammen,und waren ganz aufgekratzt. Die kleine Birgül führte den reinsten Freudentanz auf, als sie hörte, dass wir alle gemeinsam in zwei Wochen zurück nach München fliegen würden. Sie war inzwischen ein großes Mädchen, hatte lange, schwarze Haare und war schlank. Es sah hübsch aus, als sie ihre Hüften zur orientalischen Musik im Bauchtanz wiegte. Mustafa ging offensichtlich auch davon aus, dass wir beide es noch einmal probieren würden. In der Nacht, die Kinder schliefen schon, wollte er Sex. Aber ich weigerte mich. Ich konnte nicht einmal den Gedanken daran ertragen. Ich wehrte mich und sagte: »Nein, Mustafa, ich will nicht.«
Da wurde er wieder wütend und bedrohte mich: »Entweder du schläfst jetzt mit mir, oder die Kinder bleiben hier und ich schmeiß dich zum Fenster hinaus.«
Ich bekam Angst, denn ich wusste, dass er zu allem fähig war. Also bin ich ihm – wieder einmal – zu Willen gewesen. Leblos lag ich unter ihm, als er mir die Unterhose runterriss und in mich eindrang. Wieder hatte er mich – wie schon so oft, während wir verheiratet waren – vergewaltigt. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, das schwor ich mir. Die nächsten Nächte schlief ich bei den Kindern im Zimmer, und Mustafa ließ mich in Ruhe.
Birgül wich mir nicht mehr von der Seite. Wann immer wir allein waren, fing sie an, von ihrem Jahr in der Türkei zu erzählen. Am Anfang sei alles ganz toll gewesen, nach dem Motto, endlich in der Türkei. Aber dann, als die Großeltern plötzlich weg waren, sie hatten sich noch nicht einmal verabschiedet, war die Hölle los. Onkel Metin habe sie und Ali oft verprügelt. Mit dem Handrücken habe er auf sie eingeschlagen. »Kannst du dir vorstellen, Mama, wie weh das tut?« Das konnte ich, denn ich wusste, dass mein Schwager große, schwielige Hände hat. Birgül redete sich den ganzen Kummer von der Seele. Dass sie oft von mir geträumt habe. Und dann beim Aufwachen schrecklich hätte weinen müssen, weil sie feststellte, dass alles nur ein Traum gewesen sei. Sie habe viel arbeiten müssen, abwaschen, putzen und weitere Hausarbeit. Zu essen aber haben sie immer zu wenig bekommen.Immer seien der Cousin und die Cousine zuerst gekommen, auch bei der Kleidung. »Obwohl Papa immer Geld geschickt hat.« Aber für sie sei es nie genug gewesen. Auch draußen spielen durfte sie nicht. Nicht mal Fahrradfahren sei ihr erlaubt gewesen, weil sie schon groß sei, hieß es. Während die Brüder und Cousins unten auf der Straße gespielt haben, sei sie am Fenster gestanden und habe zugeguckt. Sie war immer noch ganz empört, als sie das erzählte. Ihre größte Angst aber war, dass sie mich nie wieder sehen würde. Da nahm ich sie in die Arme und weinte mit ihr. Leise flüsterte ich ihr ins Ohr, dass dieser Albtraum jetzt vorbei sei und alles gut werden würde.
Zurück in München trennten sich unsere Wege. Mustafa und Muhammed fuhren zu den Eltern , und ich nahm die beiden Kleinen mit zu mir in die neue Wohnung. Endlich hatte ich sie wieder bei mir.
Vogelfrei oder frei wie ein Vogel
Am Anfang war es schwer. Kaum in Deutschland, machte Mustafa schon wieder Ärger. Er konnte offensichtlich immer noch nicht akzeptieren, dass ich nicht mehr zu ihm zurückwollte. Auch, dass ich das Sorgerecht für die beiden Kleinen bekommen hatte, war ihm ein Dorn im Auge. Einen Tag nach unserer Rückkehr, die Kinder und ich frühstückten gerade, klingelte es. Vor der Tür stand Mustafa – mit einem Koffer in der Hand. Wollte er wieder bei mir einziehen? Nach allem, was wir hinter uns hatten? Das konnte doch nicht wahr sein. Ich überlegte kurz, trat dann blitzschnell vor die Tür und zog sie hinter mir ins Schloss. Ich wollte nicht, dass die Kinder etwas mitbekamen, sie hatten genug gelitten. So stand ich dann vor der Tür, verschränkte meine Arme und sagte: »Und, wie stellst du dir das vor? Willst du mich wieder jeden Tag
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