Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
verprügeln und nachts vergewaltigen? Mustafa, verstehe doch endlich. Ich liebe dich nicht mehr! Wir sind geschieden. Es ist aus und vorbei!«
Er starrte mich ungläubig an und brüllte, ich solle doch zur Vernunft kommen, es seien auch seine Kinder, und er habe auch ein Recht auf sie.
»Ja«, sagte ich kalt, »an jedem zweiten Wochenende kannst du sie holen. Aber am Sonntagabend sind sie wieder zu Hause, bei mir, so wie es das Gericht entschieden hat.« Dann drehte ich mich um, sperrte die Tür zur Wohnung auf und verschwand. Vom Fenster aus habe ich danach beobachtet, wie Mustafa resigniert seinen Koffer zum Auto schleppte und davonfuhr.
An diesem Wochenende zeigte ich den Kindern ihre neue Heimat. Wir hatten ja früher ein paar Dörfer weiter gewohnt, und sie kannten sich hier im Ort nicht aus. Zusammen sind wireinkaufen gegangen, danach zeigte ich ihnen ihre neue Schule, wo sie schon in der kommenden Woche würden antreten müssen. Gott sei Dank war die Schule nicht weit von unserer neuen Wohnung entfernt, so dass auch der kleine Ali sich den Weg gut merken konnte. Manchmal würde er ihn auch alleine gehen müssen, weil Birgül länger Unterricht hatte.
Seit wir aus Istanbul zurück waren, versuchte ich mit den Kindern nur Deutsch zu sprechen. Irgendwie mussten sie ja wieder in die Sprache hineinfinden. Der Einstieg in die Schule war ohnehin schon problematisch genug. Das Schuljahr war fast vorbei, und außer Türkisch hatten Birgül und Ali in Istanbul nicht viel gelernt. Beide Kinder würden die Klassen, die sie letztes Jahr überstürzt verlassen hatten, wiederholen müssen. So wurde Birgül in die fünfte Klasse Hauptschule und Ali in die erste Klasse Grundschule zurückgestuft. Das eine Jahr war verloren. Ich hätte ihnen das gerne erspart, aber es ließ sich nicht ändern.
Montagmorgen war es so weit. Pünktlich um Viertel nach sechs standen wir auf, frühstückten in aller Ruhe und machten uns fertig. Die Kinder waren aufgeregt und plapperten durcheinander. Würden sie schnell Freunde finden? Wie würden sie mit der Sprache zurechtkommen? Würden sie gleich alles verstehen? Ich versuchte sie zu beruhigen und brachte sie mit dem Auto zur Schule. Dann begleitete ich sie in ihre jeweiligen Klassen, zuerst Ali, dann Birgül, sprach kurz mit den Lehrern und verabschiedete mich von meinen beiden Schulkindern. Anschließend fuhr ich weiter zur Arbeit. Ausnahmsweise musste ich heute nicht Schicht arbeiten, sondern würde ganz normal um halb fünf nach Hause kommen.
Meine wechselnden Arbeitszeiten würden ein Problem werden, das hatte ich im Gefühl. Und so war es auch. Mustafa meldete mehr oder weniger sofort Bedenken an und beklagte, dass die Kinder nachmittags unbeaufsichtigt seien. Mit Hilfe des Jugendamtes versuchte er, eine Wochenregelung durchzusetzen. Wenn ich Frühschicht hatte, sollten die Kinder bei mir sein, und bei der Spätschicht eben bei ihm. Das Jugendamt favorisiertediese Lösung und versuchte mich zu beeinflussen, »wegen des Kindeswohls«, wie es hieß. Ich sollte an die Kinder denken! Aber gerade das tat ich doch. Ich wollte sie nicht über einen längeren Zeitraum bei Mustafa und den Großeltern lassen. Die hatten in den letzten anderthalb Jahren genug Unheil angerichtet. Nein, die Kinder sollten bei mir bleiben und ihren Vater nur am Wochenende besuchen. Aber würde ich auch stark genug sein, das durchzusetzen? Gott sei Dank hatte ich immer noch Kontakt zum Frauenverein. Ich rief Frau M. an, und wir vereinbarten, dass sie ein paar Tage später vorbeikommen sollte. Sie wollte meine Kinder begrüßen und die neue Wohnung besichtigen. Bei der Gelegenheit könne man auch gleich die neuen Probleme besprechen.
Zufälligerweise war an dem Tag gerade mein Ältester zu Besuch. Can wohnte schon seit unserer Trennung bei seiner Freundin Tanja, die beiden hatten inzwischen sogar ein Kind. Aber seit die Kinder wieder da waren, kam Can oft zu uns, er hatte seine kleinen Geschwister vermisst. An jenem Tag also spielte er im Wohnzimmer mit seinem kleinen Bruder, während ich mit Frau M. in der Küche saß und einen Kaffee trank. Wir redeten über die neue Situation und versuchten eine Regelung zu finden. Die Sozialarbeiterin erinnerte mich daran, wie ich in all den Jahren meiner Ehe gelitten und was ich seit der Trennung erlebt hatte: »Sie müssen jetzt zuerst an sich und die Kinder denken«, sagte sie nachdrücklich.
Plötzlich stand mein Ältester in der Tür und schrie: »Das ist also die
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