Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
aus dem Bett gesprungen und machte mich auf die Suche nach dem Meer. Ich war noch nie in meinem Leben am Meer gewesen. Obwohl unser Dorf Ballidere nur zwei Autostunden vom Schwarzen Meer entfernt liegt, kannte ich es nicht. Auch in Istanbul hatte mir nie jemand das Meer gezeigt. Schwimmen konnte ich natürlich auch nicht. Aber das sollte sich ändern, und zwar jetzt. Ich lief also durch den Ort, die abschüssige Straße hinunter und bog um eine Ecke. Überrascht blieb ich stehen, denn vor mir öffnete sich eine kleine, felsige Bucht. Das azurblaue Meer glitzerte in der Morgensonne. Am Wasser war es ruhig, außer ein paar Fischern war noch niemand unterwegs. Verzückt wie ein Kind stand ich da und genoss die Aussicht. Dann lief ich aufgeregt zurück zum Haus und weckte Zoran.
»Komm, steh auf, wir müssen zum Meer, ich muss endlich schwimmen lernen.«
Mein Liebster lachte laut, bremste mich aber aus, weil er erst mal frühstücken wollte. Seine Schwester hatte schon den Tisch gedeckt, Kaffee gekocht und wartete bereits auf uns. »Schwimmen können wir später auch noch«, tröstete er mich.
Unten in der Bucht war ein kleiner Sandstrand, und sanfte Wellen rollten heran. Inzwischen war es heiß geworden, und ich setzte mich vorsichtig ins flache Wasser und ließ das kühle Nass über meinen Körper gleiten. Wie angenehm! Zoran war schon hineingesprungen und eine Runde geschwommen, jetzt näherte er sich und zeigte mir die Schwimmbewegungen: »Schau, Ayşe, es ist ganz einfach, du breitest deine Arme aus und schließt sie wieder, und mit den Beinen machst du die gleiche Bewegung, nur umgekehrt.«
Ich wagte mich weiter ins Wasser hinein und versuchte es, Zoran hielt mich, und ich bewegte Arme und Beine, wie er es mir vorgemacht hatte. Es klappte zwar noch nicht richtig, aber ich übte verbissen, den ganzen Vormittag. Zoran hatte Mühe, michmittags wieder aus dem Wasser zu locken. Nach dem Mittagessen war Siesta, und Zoran und ich haben uns geliebt. Es war für mich immer noch ein Wunder, dass ein Mann so zärtlich sein und auf mich eingehen konnte. Mit ihm habe ich meinen ersten Orgasmus erlebt. Da war ich fünfunddreißig Jahre alt und Mutter von vier Kindern.
Die zwei Wochen vergingen wie im Flug. Vormittags haben wir gebadet, nachmittags Ausflüge gemacht. Auch die Nächte waren angenehm. Wenn ich zu müde war oder keine Lust auf Sex hatte, nahm Zoran mich liebevoll in den Arm, küsste mich und drehte sich um, um zu schlafen. Nie im Traum wäre es ihm eingefallen, gegen meinen Willen mit mir zu schlafen. Ich genoss die Zeit, erholte mich prächtig, und am Ende der Ferien konnte ich tatsächlich schwimmen. Auch Kroatisch hatte ich ein bisschen gelernt, weil Zoran viel mit seiner Familie zusammen war. Ich liebte die Menschen und das Meer, fast war mir dieses kleine Fischerdorf zur zweiten Heimat geworden. Am liebsten wäre ich noch geblieben, aber unser Urlaub ging zu Ende, und wir mussten wieder nach Hause. Bald würden auch die Kinder zurück sein.
Im Herbst ging der Stress mit Mustafa weiter. Zwar hatte er die Besuchsregelung inzwischen zähneknirschend akzeptiert, aber er unterlief sie immer wieder. Mal brachte er die Kinder am Sonntagabend um zehn, mal gar nicht. Oder er ließ sie am Montag einfach unentschuldigt von der Schule zu Hause. Es gab immer neue Varianten. Außerdem machte er Ärger mit dem Unterhalt. Bisher hatte er sich erfolgreich geweigert, seine Einkommensverhältnisse offen zu legen, und entsprechend keinen Pfennig überwiesen. Da ich einen Hauptteil seiner Schulden abbezahlen musste, konnte ich es mir nicht leisten, auf den Unterhalt zu verzichten. Aber anstatt seinen Verpflichtungen nachzukommen, setzte Mustafa noch eins drauf. Per Anwalt forderte er mich auf, ihm endlich den Unterhalt für unseren zweitältesten Sohn auszuhändigen. Während er sich also erfolgreich weigerte,den Unterhalt für die beiden Kleinen zu zahlen, wurde ich zur Zahlung aufgefordert! Gleichzeitig teilte man mir mit, dass die Beträge nicht gegeneinander verrechnet werden könnten. Besonders ärgerlich war, dass ich für ein Kind fast so viel zahlen sollte wie Mustafa für zwei. Monatelang ging es hin und her, mal hat er Geld überwiesen, dann wieder nicht. Wäre Zoran nicht gewesen, ich weiß nicht, wie wir überlebt hätten.
Mit ihm lief alles bestens. Nach einem halben Jahr hatten sich die Kinder gut eingewöhnt, und sie wussten inzwischen auch, dass Zoran mein neuer Mann war. Irgendwann war klar, dass er bei
Weitere Kostenlose Bücher