Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
deutsche Schlampe, die unsere Familie zerstört hat.« Er war außer sich und schrie immer wieder: »Die ist schuld, die ist schuld.«
Während Frau M. sich schnell verabschiedete, versuchte ich Can zu beruhigen. Aber er redete sich immer mehr in Rage und schrie: »Und du, du bist eine Nutte. Hättest du dich doch nur umgebracht, dann ginge es uns allen besser.«
Am liebsten hätte ich ihn geschlagen, aber dazu hatte ich keine Kraft. Ich starrte ihn wie versteinert an und sagte dann, dass eswohl besser sei, wenn er jetzt ginge. Danach lag ich mit stechenden Kopfschmerzen im Bett, ein Migräneanfall kündigte sich an.
Nach diesem Gespräch teilte ich dem Jugendamt mit, dass ich an der bestehenden Regelung festhalten würde. Auch, dass ich für nachmittags eine Lösung gefunden habe. Während meiner Spätschicht würde eine Nachbarin die Kinder übernehmen, sie könnten bei ihr essen und Hausaufgaben machen. Außerdem war Birgül mit ihren knapp dreizehn Jahren alt genug und meiner Meinung nach durchaus in der Lage, ihren achtjährigen Bruder zu beaufsichtigen.
Für Birgül und Ali war es schwierig. Sie mussten sich erst eingewöhnen. Alles war neu und ungewohnt für sie. Ali vermisste seinen Vater und seinen Bruder Muhammed und wollte an den Wochenenden immer zu ihnen. Nur Birgül ging auf Distanz. Sie war froh und glücklich, bei mir zu sein. Endlich hatte sie ihre Mama wieder. Jede Nacht kam sie zu mir ins Bett und kuschelte sich an mich. Sie hatte Angst und wollte nicht alleine schlafen. In den ersten Wochen habe ich viel mit den Kindern unternommen. Wir mussten wieder zusammenwachsen, erst wieder eine Familie werden.
Meinen Freund Zoran habe ich den Kindern anfangs erst mal verheimlicht. Ich wollte sie nicht erschrecken, denn ich wusste, was sie im letzten Jahr alles über mich gehört hatten. Birgül hatte mir erzählt, dass das die reinste Gehirnwäsche gewesen sei. Tagaus, tagein habe sie gehört, was für eine Nutte oder Schlampe ich sei. Natürlich auch, dass eine gute Mutter ihre Kinder nicht einfach im Stich lasse, nicht einfach weggehe, ohne sich zu verabschieden. Während sie erzählte, wurde mir immer klarer, wie die Kinder gelitten hatten, wie schmerzhaft die Trennung für sie gewesen sein muss. Aber ich hatte doch keine andere Wahl gehabt. An jenem Morgen, als Mustafa mich krankenhausreif geschlagen hatte, musste alles sehr schnell gehen, Zeit, um Abschied zu nehmen, gab es nicht. Natürlich kannten sie meine Seite der Geschichte nicht. Sie wussten nicht, was für eine Eheihr Vater und ich geführt hatten. Jetzt verstand ich auch, warum Birgül auf mich so ablehnend reagiert hatte, damals, als ich sie von den Eltern fürs Wochenende abholen wollte.
Und natürlich hatte man ihnen von diesem Mann erzählt, mit dem ihre Mutter, diese Nutte, jetzt zusammenlebte. Ich musste vorsichtig sein. Das Verhältnis zu Ali und Birgül war ohnehin schon belastet genug, und ich wollte nicht noch mehr Schaden anrichten. Also habe ich Zoran in den ersten Wochen nur in der Fabrik getroffen. Und telefoniert haben wir nur abends – wenn die Kinder schon schliefen. Dann, an einem Freitag, holten mich Birgül und Ali von der Arbeit ab. Ich wartete auf dem Parkplatz auf sie und unterhielt mich noch mit ein paar Arbeitskollegen, Zoran war auch dabei. Als die beiden kamen, schauten sie ziemlich misstrauisch. Wer waren all diese Menschen? Und vor allem, wer war dieser Mann, mit dem sich ihre Mutter so gut unterhielt? Ich konnte förmlich sehen, was in ihren Köpfen vorging, und bereitete dem Rätselraten schnell ein Ende. Fröhlich stellte ich Zoran meinen Kindern vor. Sie reagierten zurückhaltend, aber Zoran freute sich, sie endlich kennen zu lernen, und lud uns alle zum Eisessen ein. Bei einem großen Eisbecher tauten Birgül und Ali langsam auf. Als wir uns später am Nachmittag verabschiedeten, waren sie schon freundlicher gestimmt.
Zu Hause wollte Birgül sofort Genaueres wissen. Sie fragte mir ein Loch in den Bauch: »Wer war dieser Mann? Und was hast du mit ihm zu tun?«
Ich versuchte, ihr so ehrlich wie möglich zu antworten, aber wollte ihr auch nicht zu viel zumuten. Ja, das sei ein Freund von mir, er habe mir im letzten Jahr sehr geholfen. Dass wir seit einer Weile auch ein Liebespaar waren, sagte ich ihr nicht. Damit wollte ich noch warten. Alles Weitere würde sich finden. Nach jener ersten Begegnung trafen wir uns öfter gemeinsam. Zoran ging mit uns essen oder lud uns am Wochenende ein, mit ihm
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