Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
Ausflüge zu machen. Das gefiel meinen Kindern. So viel Aufmerksamkeit waren sie nicht gewohnt. Zoran hatte aus einer geschiedenen Ehe einen – inzwischen erwachsenen – Sohn undwusste, wie man Kinderherzen erobert. Er nahm sich viel Zeit für die beiden, vor allem für Ali. Mit ihm ging er auf den Spielplatz oder spielte Fußball. Mein Sohn fand das großartig. Bei Birgül dauerte es länger. Sie war misstrauischer. Aber schließlich hat er sich auch in ihr Herz geschlichen. Er ging mit ihr einkaufen oder brachte ihr etwas Schickes zum Anziehen mit. Zoran war sehr großzügig.
Am Anfang hatte ich – außer Schulden – fast nichts. Einen Tisch, zwei Stühle, ein altes Sofa, ein paar Matratzen und einen Fernseher, das war’s. In den ersten Wochen schliefen wir alle zusammen auf Matratzen im Wohnzimmer. Manchmal, wenn ich morgens das Zimmer aufräumte, dachte ich, dass ich Möbel kaufen würde, wenn ich irgendwann mal wieder Geld hätte. Bis dahin würden wir uns behelfen müssen. Doch Zoran hatte andere Pläne. An einem Samstag rief er mich an und fragte, ob ich ihn zum Einkaufen begleiten wolle. Ich freute mich, mit ihm etwas unternehmen zu können, und sagte zu. Ohne mich vorher einzuweihen, fuhr er in ein großes Möbelgeschäft und sagte: »So, und jetzt gehen wir Möbel aussuchen.«
Im Nu fanden wir ein hübsches, helles Schlafzimmer und ein Kinderzimmer mit einem Stockbett sowie eine neue Couchgarnitur und eine Schrankwand fürs Wohnzimmer. Ich versuchte ihn zu bremsen, weil ich nicht wusste, wie ich das bezahlen sollte. Jede Rate wäre im Moment zu viel gewesen. Da nahm er mich mitten im Laden in den Arm und sagte: »Mach dir keine Sorgen, irgendwann werden wir zusammenwohnen, und dann gehören die Sachen auch wieder mir.«
Ich war sprachlos. Konnte ich das annehmen? Aber er ließ mir keine Wahl. Selig fuhr ich an dem Tag nach Hause. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, da ist jemand, der sich um mich kümmert, der schaut, dass es mir gut geht. In drei Wochen würden die Möbel geliefert werden.
Inzwischen war es Sommer geworden, und die Kinder hatten Ferien. Mustafa wollte mit ihnen zusammen in die Türkei fahren.
Ich hatte keine Einwände, und auch die Kinder wollten ihren Vater begleiten. Da beschlossen Zoran und ich, in seine Heimat, nach Kroatien, zu reisen. Das war mein allererster Urlaub, den ich nicht zu Hause in der Türkei verbrachte. Natürlich hätte ich meine Mutter gerne besucht, aber zwischen uns herrschte Funkstille. Ich weiß nicht genau, wie sie es erfahren haben, aber irgendwie hatte es sich bei uns im Dorf herumgesprochen, dass ich, gerade frisch geschieden, mit einem anderen Mann zusammenleben würde. Bei unserem letzten Telefonat, die Kinder waren gerade aus Istanbul zurück, hatte mein Vater ins Telefon gebrüllt, dass ich für ihn gestorben sei. Auf meine Frage, »Warum«, schrie er nur, » Oruspu, oruspu, Nutte, Nutte. « Anne sagte zwar nichts dergleichen, aber ich konnte deutlich spüren, dass auch sie ein Problem hatte. Doch wir konnten nicht darüber reden. Was hätte ich ihr sagen sollen? Dass ich Zoran liebte und es egal war, ob wir verheiratet waren oder nicht. So viel war sicher, ein Urlaub in der Türkei kam nicht in Frage. Als Zoran mir eine Reise in seine Heimat vorschlug, war ich deshalb mehr als glücklich. Ich hatte zwei Jahre Dauerstress hinter mir und brauchte dringend Urlaub.
Anfang August sind wir also frühmorgens losgefahren. Es war noch dunkel, und die Straßen waren leer. Leise Musik kam aus dem Autoradio. Schweigend saßen wir nebeneinander und genossen die Morgenstimmung. Bei Sonnenaufgang waren wir schon in den Bergen. Zoran – ein passionierter Autofahrer – hatte eine Route über die Alpen gewählt. Der Anblick der zerklüfteten Berge überwältigte mich. Nie hatte ich Vergleichbares gesehen. Gemächlich überquerten wir die Alpen, fuhren durch Österreich nach Slowenien und weiter nach Kroatien. Abends erreichten wir schließlich das kleine Fischerdorf, in dem Zorans Familie lebte. Man erwartete uns schon und begrüßte uns herzlich. Im Garten war ein riesiger Tisch gedeckt, und schon bald saß das halbe Dorf bei uns und feierte unsere Ankunft. Mich nahm man wie ein Familienmitglied auf. Obwohl ich nur ein paar Brocken Kroatisch verstand, spürte ich die Herzlichkeit derMenschen. Weit nach Mitternacht sind wir ins Bett gefallen. Zoran und ich lagen uns in den Armen und waren glücklich.
Am nächsten Morgen bin ich schon früh
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