Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
angelegten regelmäßig löschte. Wenn Sie das ausprobieren, werden Sie Hunderte solcher Spionagedateien auf Ihrer Festplatte entdecken und sie entfernen. Aber sobald Sie erneut surfen, sprießen die Cookies wieder – wie Unkraut, das nicht vergeht. Deswegen empfiehlt sich inzwischen eine ganze Reihe weiterer sinnvoller Maßnahmen zur digitalen Selbstverteidigung: Werbe- und Tracking-Blocker installieren, VPN-Software benutzen und, je nachdem, was Sie online erledigen wollen, zwischen mehreren Browsern hin- und herschalten.
Es kommt noch schlimmer
Die großen Werbenetzwerke oder ad networks leben davon, gezielte Werbung auf einer Vielzahl von Webseiten zu platzieren, sobald sie Sie und niemand anderen dort entdecken. Dieser Prozess, der Ihre augenblicklichen Klicks, Ihr Surfverhalten und viele demografische Merkmale berücksichtigt, dauert nur Sekundenbruchteile. Wenn Sie eben noch nach einer neuen Couch gesucht und die Adressen von Möbelhäusern nachgeschlagen haben, erscheinen plötzlich haargenau dazu passende Anzeigen auf der Homepage Ihrer Tageszeitung, bei der Sie schnell noch die Sportmeldungen lesen.
Es gibt Hunderte solcher Netzwerke, einige davon sind Tochterunternehmen von Industriegrößen wie Google oder Microsoft, und die meisten Nutzer würden staunen, wenn sie wüssten, dass ihnen eine Armee automatischer Spione rund um die Uhr über die Schulter schaut. Der ehemalige Google-Ingenieur Brian Kennish hat nachgerechnet: Allein Google hat seinen Tracking-Code auf 97 der 100 beliebtesten Webseiten installiert, um Besucherdaten zu sammeln. Selbst auf öffentlichen Webseiten wie dem US-Finanzamt oder der Post sieht einem der Suchriese über die Schulter. Kennish wertete die Spionagesoftware für die beliebtesten 1000 Webseiten aus und war über das, was er fand, sehr erstaunt: »Es gibt 350 verschiedene Dienste, die mindestens ein Prozent Ihres persönlichen Surfverhaltens im Netz sammeln.« 2
Diese Art der Online-Verfolgung hat sich einer Studie des Datenschutzunternehmens Krux Digital 3 zufolge zwischen 2010 und 2011 fast versechfacht. Der Besuch einer Seite löst durchschnittlich 56 Tracking-Vorgänge aus, so als ob ein Kunde in einen Laden geht und in ein dichtes Netz aus Stolperdrähten gerät. Im Jahr 2010 waren es nur zehn Tracker pro Seite.
Eine Hauptquelle dieser ungebremsten Spähwut ist die Beliebtheit von Online-Auktionen bei Werbetreibenden, bei denen automatisierte Systeme fast in Echtzeit Werbung für Webseiten verkaufen. Versteigert werden Sie, und zwar jedes Mal, wenn Sie eine Seite aufrufen. Diese Auktionen sind für 40 Prozent aller Datenerhebungen verantwortlich. Krux ermittelte übrigens mehr als 300 Unternehmen, die Daten für Werbezwecke sammeln, knapp doppelt so viele wie noch 2010.
Was kann schon passieren, wenn uns Werbenetzwerke verfolgen?, mögen Sie fragen. Banneranzeigen übersieht man einfach. Doch das greift zu kurz. Zeige mir, wo du klickst, und ich sage dir, wer du bist, das ist das Resultat einer Untersuchung mit dem seltsamen Titel »Warum Hänschen nicht in Frieden surfen kann« 4 , die das französische IT-Institut INRIA gemeinsam mit Google erstellte. Die Forscher werteten das Surfverhalten von fast 370 000 Internetnutzern aus und stellten dabei fest, dass 70 Prozent von uns eine einzigartige Online-Chronik besitzen, die uns wie unser Fingerabdruck identifiziert. Fast jeder Einzelne kann von automatischer Software identifiziert werden, nachdem er oder sie nur vier Webseiten besucht hat. Wenn Sie online gehen und sich nicht gründlich schützen, können Sie Ihre Anonymität also vergessen.
Tracking im Maßstab 1 : 1 und in Echtzeit ist der Traum jeder Werbeagentur, auch wenn das nur noch wenig mit den Werbeformen gemein hat, die wir bisher gewohnt sind. Im Gegenteil, die neue Technologie erlaubt es, Tracking aus der Online- mit der Offlinewelt zu verschmelzen. Auch daran sollten Sie denken, wenn Sie sich für ein Bonusprogramm anmelden, an der Kasse Ihre Kundenkarte durchziehen oder ein Sonderangebot mit einem Strichcode einlösen.
Cookies sind inzwischen fast altbackene Formen des Online-Trackings, denn Programmierer ruhen nicht. Zum einen tarnen sie zunehmend Dritt-Cookies als vermeintlich harmlose First-Party-Cookies, um Sperren im Browser zu umgehen. Zum anderen gibt es ständig neue Technologien wie Log Files, Beacons, ETags, Web-Bugs, Flash-Cookies, HTML5-Dateien und Evercookies, die weitaus anspruchsvollere Formen der Verfolgung ermöglichen. Sie alle
Weitere Kostenlose Bücher