Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
dienen grundsätzlich demselben Zweck: einen einzelnen Benutzer auf Lebenszeit und über das gesamte Netz zu markieren, ohne dass er seine Verfolger abschütteln kann. Beacons, zum Beispiel, sind unsichtbare Bilddateien, üblicherweise nicht größer als 1 x 1 Pixel, die sich auf einer Seite einbetten lassen und einem Server irgendwo auf der Welt signalisieren, dass ein Benutzer eine Webseite oder E-Mail öffnet.
Besonders perfide sind die neuesten Errungenschaften der Werbewirtschaft namens HTML5-Dateien und Evercookies. Erstere haben im Gegensatz zu traditionellen Cookies kein Verfallsdatum, sondern müssen aktiv gelöscht werden und können außerdem ein Vielfaches an Daten über den Nutzer, seinen Rechner und sein Surfverhalten speichern. Das Evercookie war ursprünglich nur das Experiment eines Datenschutzexperten, aber es zeigt anschaulich, wohin die Reise geht. Dieses Cookie ist streng genommen eine Kombination aus mehreren Technologien, die redundante Identifizierungsmerkmale anlegen. Wenn eines davon gelöscht wird, können die restlichen Teile den Schaden beheben und so das Tracking aufrechterhalten – wie ein Tumor, der auch nach der Operation durch Metastasen zurückkehrt.
Erwähnen sollte man auch das sogenannte Fingerprinting, bei dem eine Software die Einstellungen Ihres Rechners oder Mobilgeräts und des verwendeten Browsers analysiert. Damit lässt sich ein einzelner Mensch online aus einem Heer von Millionen herausfischen. Wer sich davor schützen will, muss gleich eine ganze Reihe von Technologien ausschalten, die inzwischen unverzichtbarer Bestandteil moderner Webseiten geworden sind, etwa JavaScript und Flash-Animation. Eine amerikanische Firma namens Blue Cava hatte so bereits 2010 die »Fingerabdrücke« von rund 200 Millionen Geräten ermittelt und vermietet diese Datenbank zu Werbezwecken. 5
Doch ganz hilflos sind Sie nicht. Tracking-Technologien sind meist an einen Browser gekoppelt, so dass es sich lohnt, mehrere Browser zu installieren und bestimmte Aufgaben – etwa Facebook – konsequent nur mit einem Programm zu erledigen. Eine Handvoll junger Unternehmen bietet kostenlose Blocker wie Ghostery oder Privacyfix an, die in einem Browser installiert werden und den Tracking-Code von Twitter über Facebook oder Google bis zu den Dutzenden von Werbenetzwerken bei jeder Webseite abschmettern, die Sie aufrufen.
Es ist jedoch ein technisches Wettrüsten, bei dem der Verbraucher oft den Kürzeren zieht, wenn er sich nicht ständig über die neuesten Abwehrwaffen informiert und sie konsequent installiert.
Do Not Track
Auf Druck von Verbraucherverbänden und Politikern haben einige große Unternehmen begonnen zu reagieren. Die große Frage lautet, ob sie es wirklich ernst meinen oder nur Ablenkungsmanöver initiieren.
Nehmen Sie die Debatte über Do Not Track in den USA, dem bislang größten Internetmarkt. Mittels einer Browser-Einstellung sollen Verbraucher die Möglichkeit haben, Werbenetzwerken und anderen Datenhäschern zu signalisieren, dass ihre Spur im Netz nicht verfolgt werden soll. Anfang 2012 kündigte der Branchen-Dachverband Digital Advertising Alliance gemeinsam mit dem Suchriesen Google an, diese mit DNT abgekürzte Technologie in ihre Produkte einzubauen, um Verbrauchern mehr Mitspracherecht an ihren Daten einzuräumen. Die Industrie richtete eine spezielle Webseite ein, auf der man sich abmelden kann, und versah viele Webseiten mit einem kleinen Ad-Choice-Symbol, das eine Wahlmöglichkeit suggerieren soll. Umfragen haben jedoch ergeben, dass Verbraucher das Ad-Choice-System vollkommen falsch verstehen und es deswegen nicht einmal wagen, auf diesen Link zu klicken. Werbefirmen in Europa bieten Verbrauchern eine Webseite namens Meine-Cookies.org an, auf der sie ihre Cookie-Einstellungen prüfen und entfernen können.
Die neuesten Versionen von Browsern wie Firefox, Safari und Internet Explorer haben bereits solch eine DNT-Funktion eingebaut. Allein – sie bringen nichts, denn kaum eine Webseite muss die Präferenz, in Ruhe gelassen zu werden, zwingend befolgen. Do Not Track ist ungefähr so wirksam, wie einem Spion freundlich zuzuwinken und ihn um Diskretion zu bitten. Insbesondere die Firmen, die Drittanbieter-Cookies platzieren, kümmern sich überhaupt nicht um DNT. Einer Studie vom Juni 2012 zufolge würdigte nur einer von 211 Trackern eine DNT-Einstellung. 6 Obendrein wissen die wenigsten Verbraucher von dieser Option. Laut der Mozilla-Stiftung, die den
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