Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
Marianne ist das genaue Gegenteil. Früher hat sie alle ihre Läufe mit einem Nike+-Sensor im Schuh und später mit einer Smartphone-App derselben Marke verfolgt, um sie mit ihren mehr als 20 000 Twitter-Anhängern zu teilen. Marianne erzählt, dass sie daraus eine Menge Motivation und positives Feedback gewonnen hat. Eines Tages zog sie jedoch den Stecker bei Nike+ und Twitter. »Es gibt drei Gründe, warum ich aufgehört habe, alles automatisch zu übertragen. Das Jogging nahm die meisten meiner Updates in Anspruch. Ich hatte Angst, die Leute würden denken, ich sei vollkommen besessen vom Sport. Außerdem fühlte ich mich nicht wohl dabei, ständig meinen Standort zu enthüllen, vor allem meine Privatadresse, von der ich die meisten meiner Läufe startete«, erinnert sich die Geschäftsfrau. Manchmal wollte Marianne einfach nur die Tatsache vor ihren Freunden verbergen, dass sie zu langsam war.
Jetzt benutzt sie ein Gerät der Marke Garmin, um ihre Trainingsfortschritte für sich selbst zu dokumentieren, gepaart mit einem viel kleineren Netzwerk von engagierten Läufern namens dailymile. Nur selten teilt Marianne ihre Lauferfahrungen noch auf Facebook.
Tragbares Zubehör wie mit Sensoren gespickte Armbänder oder Schuhe und Apps für das Smartphone, die ihre Geschwindigkeit, Puls und andere Trainingsstatistiken verfolgen, sind für viele Hobbyathleten ein Teil des täglichen Lebens geworden. Sie finden nichts dabei, ihre Ergebnisse mit dem Rest der Welt zu teilen. Fitness- und Vitaldaten oder sogenannte Lifelogging-Dateien aller Regungen Ihres Körpers sind wohl die wertvollsten persönlichen Daten nach Ihrer Kreditkartennummer.
Dies gilt nicht nur für die vielen persönlichen präventiven Dienstleister, die diese Daten verwerten können, sondern es geht dabei auch um einen Beitrag zum Crowdsourcing, also der öffentlichen Gesundheitsforschung. Wenn Experten und ihre Softwaresysteme die Vitaldaten und Bewegungsmuster von Hunderttausenden von Menschen auswerten können, gewinnen sie wertvolle Einsichten, um etwa Zentren einer Epidemie zu finden oder die Risikofaktoren für bestimmte Erkrankungen in einer großen Population.
Mit Trainingsdaten prahlen
Jawbone Up!, Nike FuelBand, FitBit … Die Liste der Programme und Geräte zur Aufzeichnung und zum Sharing Ihrer Trainingsaktivitäten, Vitalfunktionen und sogar Ihres Schlafrhythmus ist schier endlos. Bis zu einem gewissen Grad ist es schwer, ohne sie zu leben, sobald man sich einmal an sie gewöhnt hat – weil sie funktionieren. Wie Verhaltensexperten wissen, geschieht etwas Erstaunliches, sobald Sie sich selbst sehen können und wissen, dass Sie beobachtet werden. Der einfache Akt der Überwachung des eigenen Verhaltens ermutigt Sie zwangsläufig, achtsam zu sein und neue Gewohnheiten zu entwickeln – mehr Treppen zu steigen, mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zu fahren oder einfach ein bisschen schneller zu laufen.
Diese elektronischen Gadgets werden neue Innovationen hervorbringen, um mehr Daten mit weniger Sensoren und möglichst wenig menschlichem Zutun zu erfassen. Der CEO von RunKeeper, Jason Jacobs, ist der Meinung, dass wir in ein paar Jahren nicht einmal darüber nachdenken müssen, unser Leben aufzuzeichnen. »Es wird automatisch passieren. Sie trinken einen Schluck Wasser, und das System weiß es. Die Datenerhebung wird passiv, unaufdringlich und kostenlos sein, Teil eines intelligenten Systems. Die Pflege Ihrer Gesundheit wird so sein, als hörte man den Richtungsänderungen eines Navigationssystems von TomTom zu: Zeit zum Aufwachen. Trinken Sie ein Glas Wasser. Zeit zum Schlafengehen. Sie sind fertig mit Trainieren. Sie haben einen Krapfen gegessen. Die Route wird neu berechnet«, schrieb er einem Technologieblog. 1
Ihre Fitness aufzuzeichnen ist nur der halbe Spaß, da fast alle Anwendungen und Dienste eine Standardeinstellung haben, die jede Ihre Aktivitäten über Dienste wie Twitter, Facebook oder Path veröffentlicht. Die Datenschutzeinstellungen sind in der Regel nicht sehr ausführlich, da sie Ihnen nur die Möglichkeit geben, den Stream ein- oder auszuschalten. Wenig Gedanken werden an die Frage verschwendet, wer welche Details über Ihre Aktivitäten oder deren Fehlen zu sehen bekommt.
Laufen Sie immer vom Standort A los wie Marianne? Dann wohnen Sie wahrscheinlich an dieser Adresse und sind zu bestimmten Tageszeiten nicht zu Hause. Haben Sie wie die meisten Menschen Probleme, ein Trainingspensum einzuhalten? Oft fängt man mit
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