Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
Gesundheit bei der Versicherung bekommen.
Diese Idee gewinnt bereits an Zugkraft. So belohnt der Dienst GymPact die Benutzer der Fitness-App Runkeeper in bar, wenn sie regelmäßig aufs Laufband oder Spinning-Rad steigen. All jene Mitglieder, die ihr Pensum in der vergangenen Woche nicht eingehalten haben, bezahlen dafür. Dank Standortbestimmung weiß das Programm, wo und wann Sie wirklich laufen, und kann eine wunderbare Mitgliedersegmentierung für die angeschlossenen Fitnessstudios und viele andere Datenmakler anbieten. Auf der Grundlage solcher demografischen Profile errechnen etwa Versicherungen ihre Prämien.
Man sollte sich allerdings stets vor Augen halten, dass diese Szenarien der informationellen Glückseligkeit immer davon ausgehen, dass der Kunde gesund, jung und aktiv ist, damit er einen Rabatt erhält. Aber natürlich altern und verfallen unsere Körper. Viele Zipperlein oder Leiden stören uns mit fortschreitendem Alter, aber wir kämen nie auf den Gedanken, sie allen Bekannten, dem Arbeitgeber oder gar der Krankenversicherung mitzuteilen. Selbst wenn es sich um ernste Leiden handelt, dann geht das in erster Linie den Patienten und die behandelnden Ärzte etwas an, aber nicht ein neugieriges soziales Netzwerk, eine Suchmaschine oder einen App-Hersteller.
Jedes Angebot, bei dem ein Unternehmen ein Gerät zum biometrischen Tracking sponsert, sollte daher mit gehörigem Argwohn betrachtet werden: Wem nützt die Datenhäscherei? Jede Firma oder Institution, die sich als zentrale Sammelstelle für Ihre lebenswichtigen Daten anbietet, muss Ihnen glaubhaft nachweisen können, dass Ihre Informationen in sicheren Händen sind und ausschließlich Berechtigte jetzt und in Zukunft darauf zugreifen dürfen. Das fängt mit den Mitarbeitern eines Krankenhauses an, die plötzlich mit ein paar Klicks die gesamte Krankengeschichte jedes Patienten einsehen können, wenn sie eine Begründung, wie einen Notfall, vorschützen.
Es ist kein Wunder, dass der Plan für die Einführung der elektronischen Gesundheitsakte und elektronischer Gesundheitskarten in der Bundesrepublik von anhaltenden Diskussionen begleitet wurde und wird. Wer sich hier Zugang verschafft, bekommt Einblick in elektronisch erstellte Rezepte und andere intime Details. Schwierig wird es vor allem, wenn kommerzielle Anbieter offerieren, Gesundheitsdaten in der Cloud zu verwahren und zu verwalten, die keineswegs eine blütenweiße Weste in Fragen des Datenschutzes haben.
Dies war der Fall beim Gesundheits-»Schließfach« (Health Locker) von Google, das Daten-Feeds von vielen Geräten mit manuellen Eingaben ihrer Nutzer kombinieren sollte. Es erwies sich als Flop. Ein ähnlicher Dienst von Microsoft namens »Health Vault« ist dagegen immer noch am Markt.
Schließlich ist die vorausschauende Datenmodellierung ein weiterer positiver Effekt von aktivem und passivem Tracking unserer Gesundheitsdaten. Expertensysteme können Millionen von Datenpunkten nahezu in Echtzeit bündeln, um Trends im Gesundheitswesen vorherzusagen. Anhand von aktuellen Influenza-Schätzungen können Gesundheitsexperten besser auf saisonale Epidemien reagieren, Kapazitäten planen oder Seren ausliefern. Wenn man diese Analysen mit anonymisierten Bewegungsmustern von Millionen Handys anreichert, lässt sich der nächste Ausbruch einer ansteckenden Krankheit wie SARS auch weltweit besser vorhersagen.
Insofern liegt der Wert von selbst trivialsten Gesundheits- und Fitnessdaten in der Masse. Gesundheitsexperten können den Aktivitätsgrad oder die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung auswerten, um der Politik Hinweise zu geben. Sie selbst können auch von Internetdiensten profitieren, die Ihre Vitaldaten erfassen und sie an Ärzte und andere Experten weiterleiten, anstatt sie auf einem sozialen Netzwerk zu posten. Mit solchen Experten auf Abruf wird das Bewusstsein der Patienten gegenüber der eigenen Gesundheit geschärft und die sogenannte Compliance, die Anpassung des Verhaltens an die soziale Umgebung, erhöht.
Wenn wir schon den eigenen Körper unter die Lupe nehmen, warum dann bei der Herzfrequenz und den zurückgelegten Kilometern aufhören? So sind bereits erste Firmen mit Namen wie MC10, Proteus Digital Health und Sano Intelligence am Start, die elektronische Pflaster, vernetzte Sensorpillen und Mikronadeln herstellen, die alles – vom Feuchtigkeitsgehalt der Haut und der Körpertemperatur bis zum Blutbild – im Visier haben. Zum Geschäftsmodell dieser Firmen gehört
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