Mich kriegt ihr nicht!: Gebrauchsanweisung zur digitalen Selbstverteidigung (German Edition)
Sexualpartner hervorragend eignen, um das Infektionsrisiko für Geschlechtskrankheiten zu berechnen. Menschen aus demselben sozialen Umfeld schlafen oft mit ihren Bekannten und neigen zu ähnlich riskantem Verhalten, so Leone. 6 Von solchen Analysen ist es nur ein kleiner Schritt dahin, sich vorzustellen, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, eine Facebook-App zu benutzen, die die Updates und Pinnwand unserer Freunde auswertet, um unser Infektionsrisiko zu berechnen. Eine Anwendung ist bereits auf dem Markt, die genau solche Risiken für Grippe vorherzusagen behauptet. 7
Immer offen: Die »Health Hacker«-Bewegung
Während wir uns und unsere Umgebung mit Sensoren und Diensten zupflastern, scheint das Positive noch die Risiken aufzuwiegen. Es gibt sogar eine eigene Bewegung der »Health Hacker«, deren Anhänger dafür plädieren, die Chance der ständigen und lückenlosen Datenerfassung beim Schopf zu packen. Wer sich dem Gedanken des »quantifizierten Ich« ( quantified self ) verschreibt, ist bereit, seine Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden und parallel zu Experten seine eigenen Gesundheitsdaten zu sammeln, auszuwerten und vor allem zu teilen. Manche Anhänger der Bewegung stellen detaillierte Informationen über ihre Gesundheit, die Familiengeschichte und sogar genetische Testergebnisse ins Netz, andere sehen es nur als persönliches Unterfangen zur privaten Analyse.
Was die »Gesundheitshacker« verbindet, ist die Überzeugung, dass zu viel Wissenschaft hinter verschlossenen Türen praktiziert wird und die Medizin offener mit ihrer Forschung und ihren Patienten umgehen sollte. Wenn nur mehr Menschen über bessere Informationen verfügten, so das Argument, erwarte sie ein erfüllteres und gesünderes Leben.
Einer dieser begeisterten Gesundheitshacker ist Jeff Jarvis, Professor an der Journalistenschule der City University of New York und Autor von Public Parts . Der Untertitel des Buches bringt seine Meinung auf den Punkt: »Wie das Teilen von Informationen im digitalen Zeitalter die Art, wie wir arbeiten und leben, verbessert«. Jarvis redet gerne über seinen Prostatakrebs, unter anderem in einer Online-Diskussion auf der Webseite des Economist .
So schrieb er: »Ich gab Informationen über meinen Prostatakrebs und damit über die Fehlfunktion meines Penis preis – online. Es kam nichts Schlimmes dabei heraus, nur Gutes: Information, Zuspruch und Unterstützung von Freunden (die es nicht gewusst hätten, wäre ich nicht an die Öffentlichkeit gegangen) und die Möglichkeit, andere Männer zu inspirieren, sich testen zu lassen. Lassen Sie mich betonen: Das war meine Wahl, niemand sollte gezwungen werden, sein Leben öffentlich zu machen.« 8
Wer weiß, vielleicht würde mehr Ungezwungenheit im Umgang mit unseren Gesundheitsdaten – sei es aufgrund eigener Motive, aufgrund des Drucks von Bekannten oder Unternehmen – wirklich etwas Gutes bewirken. Das könnte plötzlich unerkannte Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Lebenswandel oder der Umwelt aufdecken und zur Entwicklung oder Tests neuer Therapien beitragen.
Warum sollten Sie es dennoch nicht tun? Weil Sie dabei Ihre Krankenversicherung oder Ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, und weil Menschen auch in Zukunft davor Angst haben werden, stigmatisiert zu werden. Vor diesem Hintergrund sollten Sie die Argumente für oder gegen die Geheimhaltung bzw. Offenlegung Ihrer Gesundheit abwägen, während die Debatte um neue Gesetze und gesellschaftliche Normen tobt.
Gesundheitsdaten werden künftig im Wert steigen. Immer mehr Produkte, Geräte und Dienstleistungen werden entwickelt, die uns »helfen« wollen. Wir werden Teil des Netzes, eine Art body area network , bei dem Ihr Körper nur einer von vielen Hotspots ist. Mit im Netz hängen Geräte wie die Toilette, die Ihre Harnwerte liest, und die Waage, die Ihr Gewicht direkt in die Gesundheitsakte in der Cloud hochlädt.
In Zukunft werden wir mehrere virtuelle Spezialisten in der Tasche tragen und nur dann einen Arzt kontaktieren, wenn uns eine Software warnt. Die Überwachung unserer Körperfunktionen wird kontinuierlich aus der Ferne geschehen, als Gegenleistung dafür, dass wir unser Leben in gewaltige Datenbanken einspeisen. Diese werden hoffentlich in erster Linie das Verständnis beschleunigen, welche Therapien am besten für verschiedene Menschen geeignet sind, also den Traum der personalisierten Medizin verwirklichen.
Der Weg dorthin wird mit Datenlecks übersät sein.
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