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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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schwere Arbeit ihre Hände rot und rauh und ihr Leben in halbdunklen Stuben ihre Wangen noch bleicher gemacht hatte als zuvor.
    Sie drang oft in mich, die Gesellschaft von Freunden oder auch von Büchern aufzusuchen, denn sie fühlte, daß ich nicht geboren sei, auf immer ein solches Leben zu führen, und das Schicksal größere Aufgaben für mich bereithielt. Doch zwischen Sebastian und mir war eine Entfremdung eingetreten, und die Ratsherren hätten mich gar ungern in seinem Gefolge von Fanatikern und Ketzern gesehen. Statt dessen nahm ich mein Studium des Griechischen wieder auf, freilich ohne die überschäumende Begeisterung meiner Studentenzeit.
    Barbara verließ nur selten unseren schützenden Keller, und dann nur nach Einbruch der Dunkelheit, als fürchtete sie sich vor den Leuten und wolle bei ihnen ganz und gar in Vergessenheit geraten. Diese ihre sonderbare Scheu steckte auch mich an, so daß mich bisweilen eine schmerzliche, unbestimmte Angst vor dem Leben überhaupt befiel. Ich tröstete mich lieber mit der Überzeugung, es sei alles am besten, wie es sei; jede Veränderung könne nur Unheil bringen. Und ich kann reinen Gewissens vor Gott und allen seinen Heiligen beschwören, daß ich während der ganzen Zeit, die wir in unserem seltsamen kleinen Heim hausten, Barbara kein einziges Mal etwas Verdächtiges tun sah oder irgend etwas, das auf Zauberei auch nur hätte schließen lassen. Wenn sie sich jemals mit solch dunklem Treiben abgab, so bin ich überzeugt, daß sie nach unserer Hochzeit davon abließ und sich von allem Bösen freizumachen wünschte.
    Was den Hund anbelangt, so tauchte er auf ganz natürliche Weise in unserem Heim auf. Wir sahen ihn eines Tages im Hof spielen, und kein Besitzer kam, der sich seiner angenommen hätte. Es war ein ganz gewöhnlicher junger Hund – ein schwarzer, zottiger, kleiner Ball von der Rasse, die man beim Troß gerne hält. Die kurzen Beine dieser kleinen Hunde ermüden auf langen Märschen; im Lager aber sind sie sehr gut zu brauchen, denn sie wachen über ihre schlafenden Herren und schrecken die Beutelschneider ab.
    Später, gegen Abend, begann der Hund vor unserer Tür vor Hunger zu jaulen, und ich brachte ihn Barbara herein, die ihn fütterte und wieder hinausließ. Doch niemand kam, um ihn zu holen, und mir tat das hilflose Tierchen leid. Überdies hätte, so dachte ich, Barbara an ihm einen Gesellschafter; sie war ja den ganzen Tag in den düsteren Stuben allein.
    So nahmen wir den Hund gleichsam an Kindes Statt an; Barbara streichelte ihm sanft das weiche, schwarze Fell, als er auf ihrem Schoß schlief, und sprach dazu: »Dein Name sei Azrael. Mögest du als Hund so gewaltig sein wie Azrael als Engel, denn dein Fell macht dich zu einem echten Alraunenhund. Du sollst Michael und mich so reich machen, daß wir diese unfreundliche Stadt verlassen und in die warmen Länder im Süden ziehen können. Spute dich mit dem Wachsen, kleiner Azrael, und such uns die Alraune, koste es auch dein Leben, und wir wollen dem Alräunchen Kinderkleider anlegen und es für ein Vielfaches seines Gewichtes in Gold verkaufen, wenn wir es nicht lieber selbst behalten, auf daß uns alle unsere Unternehmungen zum Guten ausschlagen und wir schnell reich werden, ohne einen Finger rühren zu müssen.«
    Sie lächelte in sich hinein und streichelte mit ihrer hageren Hand immer noch das Tier. Dann wandte sie mir ihre großen, grünen Augen zu und sagte: »Sei nicht ungehalten über meine Worte, Michael. Ich scherze nur. Aber ich glaube, ich kenne einen Ort, tief im Wald, wo einst ein Mann gehängt wurde, und dort wächst ein Kraut, das eine echte Alraune sein könnte. Wer sie aus der Erde heben will, gefährdet sein Leben; doch würde ich mich nicht fürchten, wenn du bei mir wärest – und dann sollte es uns zeit unseres Lebens an nichts fehlen. Ein schwarzer Hund kann sie uns ausreißen. Er kann dabei sein Ende finden, uns aber geschieht kein Leid, wenn wir uns die Ohren mit Wachs verstopfen; denn eine Alraune, die entwurzelt wird, tut einen so gräßlichen Schrei, daß jeder, der ihn hört, tot umfallen oder tollwütig werden kann.«
    »Barbara«, erwiderte ich, »nenne den Hund nicht so. Azrael ist ein zu gewichtiger Name für das Tierchen. Und ich wünsche ihm nichts Böses. Ich sah einst unter den Schätzen eines Reliquienhändlers in Paris eine Alraune. Aber sie ist sehr selten, und Betrüger haben sie in Verruf gebracht, indem sie gewöhnliche Wurzeln zu Menschengestalt

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