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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Steuereinnehmer des Rates ein Unglück, das Barbara vorhergesagt hatte. Er stürzte auf der Treppe, als er versuchte, in sein Quartier hinaufzukriechen, und brach den rechten Arm, so daß er auf lange Zeit keine Feder führen konnte. Mit Genehmigung des Rates ernannte er mich zu seinem Gehilfen und teilte sein Gehalt mit mir. Das hieß, daß er die Arbeit ganz aufgeben konnte, obwohl er, um den Schein zu wahren, sich ab und zu auf dem Rathaus einfand, um mir seine Weisungen zu erteilen. Sein Arm wollte und wollte nicht heilen, und er erklärte mir, daß er gerade den linken brauche, um seinen Humpen bis zur Neige leeren zu können.
    Wenn ihm das Bier zu Kopfe stieg, pflegte er zu sagen: »Ich weiß, was ich weiß, Michael – mich könnt Ihr nicht für dumm verkaufen! Ihr junger Fuchs! Ich weiß, wessen Künsten ich meinen Sturz auf der Treppe zu verdanken habe! Aber ich bin Euch nicht gram, denn mein Leben ist dadurch um so schöner geworden. Immerhin tätet Ihr klug daran, der rothaarigen Barbara zu sagen, daß Euer irdisches Heil ganz und gar von mir abhängt, denn Ihr könntet als Fremder und als ihr Gemahl nie aus eigener Kraft eine Stelle erringen. Daher würde mein Tod Euch weiß Gott nichts nützen, Euch im Gegenteil zugrunde richten. Daher vergeudet Eure Zeit nicht mit Schweifwedeln vor den Ratsherren. Vertraut mir und vergeßt nicht, Eurem Weibe mitzuteilen, was ich gesagt habe.«
    Er redete in Geheimnissen, und seine Botschaft an Barbara schrieb ich seiner Trunkenheit zu.
    Ich hatte das totenstille Haus des Büchsenmachers und die niedrigen Stuben, in denen ich eine fortwährende schleichende Gefahr zu verspüren meinte, mehr als satt. Ich wußte gar wohl, daß der wortkarge Büchsenmacher und vor allem sein mürrischer Sohn mich und Barbara ans Ende der Welt wünschten. Auch der Anblick der wassersüchtigen und fast stets bettlägerigen Mutter behagte mir gar nicht. Wenn ich mich um die Gunst des Rates bemühte, so geschah es nicht, um meinen Freund und Beschützer, den Steuereinnehmer, zu verletzen, sondern weil im Kellergeschoß des Rathauses zwei kleine Stuben lagen, in denen es uns, wie ich hoffte, verstattet werden mochte, unseren eigenen Haushalt einzurichten. Im Laufe der Zeit erlaubte mir denn auch einer der Ratsherren, dem ich besonders eifrig gedient hatte, diese Kellerräume in Besitz zu nehmen, wenn ihre derzeitigen Bewohner auszögen. Auf Barbaras Geheiß suchte ich diese, einen Gerichtsdiener und sein pockennarbiges Weib, auf und bot ihnen ein Goldstück, wenn sie ziehen wollten. Das Weib, dessen Wortschatz gewaltig war, ließ eine Flut von Schimpfworten über mich ergehen; der Gerichtsdiener aber war sogleich dabei, schweren Herzens ihre Habseligkeiten zu packen, und hieß sie schweigen und kein Unheil über sie beide heraufbeschwören, indem sie mich verfluche.
    Auf diese Weise erwarben Barbara und ich unser erstes und einziges Heim. Ein Jahr lang lebten wir dort wie kleine Mäuse und verbargen uns vor dem aufziehenden Unwetter und der Bosheit unserer Mitmenschen. An den Abenden, wenn das Rathaus leer stand, säuberten wir seine großen, widerhallenden Säle, fegten die Steinböden und scheuerten die Treppen. Im fahlen Morgenlicht des Winters heizte ich die großen Kamine. Tagsüber ging ich still und unaufdringlich meinen Schreiberpflichten nach, ohne einem Menschen ein böses Wort zu geben. Unser Gönner, der Trunkenbold von Steuereinnehmer, behelligte uns zu jeder Abendmahlzeit. Barbara bemühte sich nach Kräften, ihm zu Diensten zu sein, und ich holte tagaus, tagein einen ungeheuren Krug des stärksten Bieres für ihn aus der Schenke. Unser Gast war sich seines Vorteils wohl bewußt und hegte gewiß keinen Groll gegen uns; je länger er aber die Wahrheit auf dem Boden seines Humpens suchte, desto griesgrämiger, mürrischer und verschlagener wurde er. Seine wissenden Anspielungen und Winke trieben Barbara oft die Tränen in die Augen; sie biß sich dann auf die Lippen und das Blut stieg ihr ins Gesicht.
    Doch wozu von unangenehmen Dingen sprechen? Wir waren sehr glücklich zusammen und wünschten uns während jener ganzen Zeit nichts Besseres. In unseren Augen hingen jene feuchten, triefenden Mauern voll herrlicher Wandteppiche; der trübe Schein der Rüböllampe wurde zum strahlenden Glanz eines vielarmigen Leuchters, und nachts war mir, als schlösse ich Barbara auf seidenem Pfühl im Lichte vieler Wachskerzen in die Arme. Sie schien mir lieblicher als eine Königin, obgleich

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