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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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übrige; das Ende wird Sünde, Verderben und der Untergang der Christenheit sein. Selbst heute gibt es schon Leute, welche das Fastengebot schamlos übertreten, heilige Dinge lästern und ihre Sünden mit Bibelstellen reinwaschen wollen. Knicker und Geizhälse bekennen sich zum Evangelium, um sich um den Zehnten zu drücken. Die Weber fordern die Auflösung der Klöster, weil die Weberinnung verarmt ist. Söldner tragen die Bibel im Ränzel als Freibrief, Kirchen zu plündern und Nonnen zu vergewaltigen. Die Bibel ist eine fürchterliche Waffe in der Hand des Unwissenden, wenn er darin nicht das Heil, sondern die Befriedigung seiner Begierden sucht. Glaubt mir, Sebastian, der Satan ist der eifrigste Bibelleser!«
    Sebastian maß mich von oben bis unten, und seine Stirn stand rein und fest über seinen weit auseinanderliegenden Augen.
    »Michael, Gott hat dem Menschen ein schönes Land als Wohnstätte bereitet und ihm Macht über alle Tiere des Feldes, alle Vögel der Luft und alle Fische im Wasser verliehen. Mit dem Blut seines einzigen Sohnes hat er die Menschheit erlöst. Er sieht nicht auf den einzelnen Menschen. Das – und das allein – ist die wahre Lehre. Und doch muß der Bauer wie ein Sklave für seinen Herrn schuften, und der Schweiß des Handwerkers kommt nur dem reichen Kaufmann zugute. Der Bauer wird in Eisen gelegt, und man läßt ihn im Burgverließ schmachten, wenn er auch nur einen Fisch für sein krankes Weib aus dem Fluß holt. Der Weber verliert sein tägliches Brot und wird aus der Stadt gejagt, wenn er in seinem Hunger die Faust gegen die großen Webereien der Klöster schüttelt. Das kann nicht Gottes Wille sein. Daher muß die Bibel unsere Waffe sein, wenn das Gottesreich auf Erden gegründet wird.«
    Ich saß und betrachtete Sebastian. Doch nun sah ich in ihm nicht den Freund, sondern ein schönes, reißendes Raubtier mit seidig-glattem Fell. Sein Wams zierten Silberknöpfe, und der weiche Pelzkragen seines Samtmantels streichelte ihm bei jedem heftigen Nicken, mit dem er seine Worte unterstrich, die Wangen. Ihm blieben die Sünde, das Leid und die Erlösung der Menschheit fremde Dinge; er suchte in der Bibel nicht den Weg zum Himmelreich, sondern eine irdische Umwälzung.
    So meinte ich denn: »Erasmus hat das Ei gelegt, Luther hat es ausgebrütet, und nun kräht Zwingli wie ein ausgewachsener Hahn. Ihr aber habt einen Funken geschlagen und eine Fackel entzündet, die gar wohl den ganzen Hof in Flammen aufgehen lassen kann. Warum tut Ihr das, und was quält Euch im innersten Herzen? Euch gebricht es an nichts, was ein Mann sich billig wünschen könnte. Ihr seid jung und gesund, kommt aus gutem Hause, und alle Türen stehen Euch offen.«
    Er wich meinem Blick aus, errötete und sprach: »Es gibt Türen, die sich mir nicht auftun, obwohl ich mir die Knöchel daran wundschlage. Wir wollen sie aber bald mit Pulver aufsprengen; dann wird es niemand wagen, auf mich herabzusehen.«
    Hier mischte sich Barbara ins Gespräch und warf heiter ein: »Sebastian, Ihr braucht wegen Eures Liebeskummers nicht die Welt in Trümmer zu schlagen. Kauft einen bewährten Liebestrank, und Ihr werdet keine Bibel brauchen. Eure Sehnsucht wird gestillt werden und Euer Herz für ein paar Goldmünzen Frieden haben.«
    Sebastian sprang wie gestochen auf und brüllte mit vor Haß zitternder Stimme: »Du Hexe, du Schindmähre, du Weibsbild mit dem bösen Blick! Wir haben hier zu Memmingen genug gelitten um deinetwillen, und dein Reinigungseid wird dir nicht mehr lange nützen! Eines schönen Tages wirst du auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden und so für deine Schlechtigkeit büßen!«
    Ich glaube kaum, daß Barbara absichtlich Boshaftes hatte sagen wollen; als aber Sebastian sie so beschimpfte, erhob sie sich und ihre grünen Augen funkelten vor Wut. Ihre Wangen wurden plötzlich so bleich, daß die Sommersprossen als dunkelbraune Flecken hervortraten. Einen Augenblick starrte sie Sebastian unverwandt an, bezwang sich aber dann und verließ ohne ein Wort die Stube. Sebastian bereute seinen Ausbruch sogleich und bekreuzigte sich mehrmals. Empört über seine Heftigkeit, verhöhnte ich ihn.
    »Wenn Ihr Unserem Herrn gemäß den eindeutigen Vorschriften der Bibel folgen wolltet, so solltet Ihr hingehen und alles verkaufen, was Ihr habt, und den Erlös den Armen geben – denn wenn irgendeiner der reiche junge Mann ist, so seid Ihr es, und der heilige Franziskus tat nichts Geringeres.«
    Da erbleichte Sebastian und

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