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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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antwortete: »Ihr habt recht, Michael, wenngleich ich nicht denselben Fehler begehen will wie der heilige Franziskus, der den Himmel jenseits des Grabes suchte. Nein, ich will ihn hier auf Erden suchen. Ich will die Reichen und die Klöster zwingen, ihren Reichtum mit den Armen zu teilen und sich mit dem wenigen zu begnügen, das ich selbst besitze.«
    Mit diesen Worten schleuderte er den kostbaren Samtmantel zu Boden, trampelte darauf herum und riß die Silberknöpfe ungestüm von seinem Wams. Er warf sie in die Stube hierhin und dorthin und schrie: »Von nun an will ich mich kleiden wie ein armer Lehrling. Ich will mein Brot mit meiner Hände Arbeit verdienen und mich mit der Kost des ärmsten Jungen im Hause meines Vaters begnügen; von keinem Menschen will ich irgendeine Gunst erbitten.«
    Nachdem er seine kostbaren Kleider in Fetzen gerissen hatte, wobei er heiße Tränen vergoß, stürzte er aus der Stube und aus dem Haus, bevor ich ihm Lebewohl sagen konnte. Ich schloß daraus, daß er an einem heimlichen Kummer litt, den mitzuteilen ihm sein Stolz verbot.
    Barbara kehrte, immer noch blaß, zurück. Sie hob den Samtmantel vom Boden auf und bürstete ihn, sammelte die Silberknöpfe und meinte bitter: »Sebastian hat leicht reden; er ist eines reichen Mannes Sohn und niemand wagt, einen Finger gegen ihn zu rühren. Wolltest du so reden und dich gebärden wie er, man würde dich aus der Stadt jagen. Und doch hat Sebastian keine Sorgen, außer daß eine hochgeborene Dame ihn verschmäht hat, weil er bürgerlicher Abkunft ist. Und sein Vater ist nicht so reich, daß er gleich Jakob Fugger vom Kaiser eine Grafenkrone kaufen könnte.«
    Mir schien ein neuer Ton in ihrer Stimme zu liegen, und ich fragte: »Möchtest du denn, daß ich rede wie er und den Umsturz der Welt predige?«
    Sie wich zum erstenmal meinem Blick aus und erschien mir plötzlich hager und häßlich, mit spitzen Backenknochen und das Gesicht von Sommersprossen übersät.
    »Wenn du den Glauben hättest, Michael, würdest du mich nicht um Rat fragen«, antwortete sie. »Aber du hast keinen Glauben, obwohl du weißt, daß die Kirche oft grausam, die Priester faul und die Mönche habgierig und unwissend sind. Weihwasser und Wachs kann man zu schlimmen wie zu guten Dingen brauchen. Vielleicht bist du von dieser Art, Michael, und auch ich, obschon du es vielleicht nicht weißt. Aber mein Weibsverstand sagt mir, daß man die Welt nicht ändern kann – daß es immerdar Reiche und Arme, Mächtige und Unterdrückte geben wird, genauso wie Weise und Narren, Starke und Schwache, Gesunde und Kranke. Daher liebe ich die Menschen nicht und wünsche ihnen nichts Gutes. Sie wünschen es mir ja auch nicht, wie du von Sebastian hörtest. Du bist der einzige, den ich liebe, Michael. Wir wollen im Verborgenen leben und kein böses Blut erregen, indem wir verraten, daß wir beide aus verzaubertem Wachs geformt sind.«
    Ich vergaß jedoch ihre rätselhaften Worte, als sie mich wieder anblickte, die grünen Augen leuchtend von zärtlicher Liebe. Sie war plötzlich schön. Ich zog sie an mich, und die Begierde überlief mich gleich einer Woge. Wir erfreuten uns aneinander, obwohl es heller Tag war. Ich sagte mir, die Welt, in der wir leben, mochte freilich ein sinkendes Schiff sein; ich aber war nicht berufen, sie zu retten, noch wollte ich ein Loch in ihren Rumpf bohren. Es sollte kein volles Jahr mehr vergehen, bis sich die Planeten im Zeichen der Fische treffen sollten.
6
    Meine Freundschaft zu Sebastian wurde nun kühler. Er hielt aber Wort und lebte fortan wie ein armer Junge im Hause seines Vaters; die Mahlzeiten nahm er am Tisch der Lehrlinge ein. An den Abenden las er die Bibel und verfaßte lange Traktate über die Freiheit des Christenmenschen; es gelang ihm, einige davon drucken zu lassen. Ich wollte ihn nicht wiedersehen, denn die Ratsherren hatten gegen ihn Verdacht geschöpft. Er zog sich einen üblen Leumund zu, und sein eigener Vater beklagte seine Halsstarrigkeit und war nahe daran, ihn für verhext zu halten. Ich selbst fand die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, nicht gar so unvermittelt, hatte er doch eine lange Zeit der Gärung hinter sich. Sein Vater jedoch, der unfähig war, seinem Sohne ins Herz zu schauen, konnte nur den äußeren Wandel bemerken und bejammern. Es dauerte denn auch nur wenige Wochen, und Sebastian war ebenso schlampig, hager und hatte denselben brennenden Blick wie nur irgendein Wanderprediger.
    Um diese Zeit ereilte den

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