Michael, der Finne
sie eben noch gegen Barbara gezetert hatten.
Ein zerlumpter, langhaariger Kerl, den ich nie gesehen hatte, erklomm den Stand des Zinngießers, schwenkte die Arme gleich Dreschflegeln und brüllte mit glühenden Augen aus Leibeskräften: »Liefert uns die Hexe aus, Meister Fuchs, und nieder mit Papst und Mönchen! Wir können unsere Hexen auch ohne ihre Hilfe verbrennen. Schafft Holzbündel herbei, gute Leute; wir wollen das Übel aus unserer Mitte ausmerzen!«
Meister Fuchs sah nachdenklich drein und warf mir einen verstohlenen Blick zu. Plötzlich rief er den Reisigen einen Befehl zu und begann, Barbara zum Rathaus zu schleppen. Es gelang mir, mit Hilfe der Büttel die heranbrandende Horde abzuwehren, Barbara hineinzustoßen und das schwere Tor zu versperren, das den Schlägen, die von außen darauf niederprasselten, gar wohl standhielt. Ich kniete neben der ohnmächtigen Barbara nieder, löste den Strick um ihre Handgelenke und wischte ihr das Blut und den Schmutz vom Gesicht. Meine Tränen fielen auf ihre Wangen und erweckten sie aus ihrer Ohnmacht. Sie schlug die Augen auf.
»Euch merkt man das Alter an, Meister Fuchs!« rief einer der niederen Ratsherren nicht ohne Spott. »An der Art, wie Ihr die Sache handhabt, kann ich nichts von der unvergleichlichen Geschicklichkeit entdecken, für die Ihr berühmt seid. Das kann Euch teuer zu stehen kommen.«
Meister Fuchs lachte kühl.
»Ihr habt recht«, stimmte er bei. »Es wird Unannehmlichkeiten geben, wenn der gute Fürstbischof und Pater Angelo davon erfahren. Auch die Stadt wird vielleicht nicht billig davonkommen. Horcht!«
In diesem Augenblick klirrte die erste zerbrochene Fensterscheibe zu Boden, und ein Stein polterte herein. Draußen forderte der Pöbel, im Chor brüllend, die Auslieferung der Hexe, um sie zu verbrennen.
»Hat dir der Teufel selbst den Gedanken eingegeben, am hellichten Tage zu fliehen, du Hexe?« fragte Meister Fuchs die hingestreckte Barbara, wobei er ihr einen leichten Tritt versetzte. »Ich wollte dich nach Einbruch der Dunkelheit holen, denn ich kenne alle eure Mätzchen.«
Er sprach dies jedoch ohne ausgeprägte Bosheit; er trug eher Neugierde zur Schau, als sei ihm etwas Neues in seinem Beruf vor Augen gekommen. Zwei kostbare Buntglasfenster zerschellten in Trümmer, und die Ratsherren rangen die Hände. Meister Fuchs blieb gelassen.
»Die Zeiten sind schlecht«, bemerkte er. »Wäre es nicht am besten, wenn einer von Euch, Ihr Herren, auf den Söller hinausträte und das Volk beschwichtigte? Sagt ihnen, ich hätte die Hexe zur Hintertür hinausgeführt und wir galoppierten nun im Hexenkarren aus der Stadt. Dann werden wir heute abend unbehelligt aufbrechen können.«
Aber keiner dieser würdigen Herren zeigte besondere Neigung, vor das Volk in den Steinhagel hinauszutreten. Der spöttische Herr, von dem ich wußte, daß er insgeheim mit den Lutheranern liebäugelte, erbleichte und sagte plötzlich: »Meister Fuchs, liefert sie ihnen aus. Wir dürfen die Rechte Memmingens als einer freien Stadt nicht beschneiden. Barbara Pelzfuß ist hier geboren und aufgewachsen und darf nicht ohne die Zustimmung des Rates weggebracht werden.«
»In einem Fall wie dem vorliegenden untersteht die Gerichtsbarkeit eines Stadtrates – ja, des Kaisers selbst – der kirchlichen«, antwortete Meister Fuchs. »Auf jeden Fall trage ich, wenn Ihr Euch erinnert, die schriftliche Vollmacht des Rates in der Tasche. Heute früh stimmtet Ihr alle iiberein, daß sie mir ausgeliefert werden sollte. Seid versichert, daß Pater Angelo sie Euch nur zu gerne ausliefern wird, wenn es an der Zeit ist, daß Ihr das Urteil vollstreckt. Der Prozeß gegen sie aber ist Sache der heiligen Inquisition. Das ist der Kern der Sache, und Leute von Verstand, wie Ihr, sollten das einsehen.«
Die Herren vom Rat einigten sich nach kurzer Wechselrede, daß Meister Fuchs klug gesprochen habe. Aber keiner von ihnen wollte sich auf den Söller wagen; sie fingen an, einer den anderen vorzuschieben. Meister Fuchs betrachtete sie ein Weilchen voll Verachtung; dann wandte er sich zu mir, der ich immer noch auf dem Boden saß, Barbaras Haupt im Schoß.
»Michael Pelzfuß!« sprach er. »Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung. Bald wird der Pöbel hier einbrechen, und Ihr wißt, was dann mit Eurem Weib geschieht. In den Händen der heiligen Inquisition hingegen wird sie vollkommen sicher sein, bis der Beweis ihrer Schuld durch Zeugenaussagen und ihr eigenes Geständnis erbracht ist. Der
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