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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Gerechtigkeit Meister Fuchs gespriesen hatte, würde sich von Barbaras Unschuld überzeugen und sie bald freilassen, obwohl ich freilich viel Schlimmes über die Hexenprozesse gehört hatte. Ein Fluchtversuch hätte sehr belastende Beweise gegen sie geliefert.
    Die Nacht war dunkel, der Wind seufzte, die Glühwürmchen leuchteten gespenstisch im Gras, und der gedämpfte Hufschlag des Pferdes auf der Straße vor uns hörte sich wie eine Prophezeiung an. Es war eine Nacht für Hexen. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen und mich zu fragen, ob ich im innersten Herzen an Barbaras Unschuld glaubte. Sie hatte ihr Haupt auf meinen Armen ruhen und umschlang krampfhaft meine Knie; bisweilen schüttelte ein tiefes Aufschluchzen ihren ganzen Körper.
    Um mich von allen Zweifeln zu befreien, legte ich meine Lippen an ihr Ohr und flüsterte: »Barbara!« Als sie sich regte, flüsterte ich abermals: »Barbara! Wenn du wirklich eine Hexe bist, kannst du dich nun retten!«
    Allein sie schluchzte nur und umklammerte noch verzweifelter meine Knie. Und ich erkannte; sie konnte weder eine Hexe noch im Bunde mit dem Teufel sein, denn der Teufel hätte gewiß für die Seinen gesorgt.
3
    Die Sonne ging auf, als wir uns der Stadt näherten, und ich weiß nicht, ob ich die Welt je so jung und schön gesehen habe wie an jenem Morgen. Die schneebedeckten Gipfel in der Ferne erhoben sich am Horizont gleich blauen Wolken, das Gras in den Tälern stand in frischem Grün, und der Fluß zog mit weißen Schaumkronen über die glatten, grauen Steine seines Bettes dahin. Die Weingärten leuchteten goldbraun, knospendes Laub überzog die dunklen Zweige der Eschen und Linden mit blaßgrünen Schleiern, und vor uns ragten die Türme der Bischofsstadt empor. Da und dort klebten die überhängenden oberen Stockwerke der Häuser gleich Schwalbennestern über der Stadtmauer, und die dünne, klare Stimme der Klosterglocke rief eben die Brüder zum Gebet.
    Der Wächter am Tor erkannte Meister Fuchs und ließ den Karren durch den Torbogen ein. Dienstmädchen und Handwerker die schon früh aus den Federn waren, blieben stehen und gafften dem gelbgestrichenen Hexenkarren nach. Bald hatten wir ein kleines Gefolge von Mädchen, Lehrjungen und Kindern. Das müde Pferd klapperte im Schritt durch die engen Straßen, bis wir den Gefängnisturm neben dem bischöflichen Palast erreichten. Hier weckte Meister Fuchs den Schließer und übergab Barbara in seine Obhut. Dann packte er zu meinem Erstaunen Rael am Genick und nahm ihn in die Arme, so daß der Hund vor Schmerz kläffte.
    »Für den werde ich sorgen«, sagte er. »Pater Angelo muß entscheiden, ob er nur als Zeuge gebraucht oder auch der Hexerei angeklagt werden soll.«
    Rael versuchte sich freizustrampeln und winselte kläglich nach Barbara, die immer noch unter der Gefängnistür stand. Der fürchterliche Gestank aus dem Verlies mischte sich mit der frischen Morgenluft, als der untersetzte Schließer stehenblieb, um Barbara boshafte Blicke zuzuwerfen und mit Meister Fuchs zu besprechen, wie man sie in Gewahrsam halten sollte. Ich gab ihm einen ganzen Gulden und bat ihn, mit Speise und Trank nicht zu sparen. Doch durfte ich jenen dunklen Turm nicht betreten. Meister Fuchs begleitete allein den Schließer; er trug immer noch den armen Hund. Sie stießen Barbara vor sich her, und die schwere Tür fiel ins Schloß.
    Bald darauf kreischte sie wieder ächzend in den Angeln, und Meister Fuchs trat ans Tageslicht heraus; er wischte sich die Hände an den Schößen seines grauen Rockes ab.
    »Ihr braucht Euch nicht zu fürchten«, meinte er zum Schließer. »Pater Angelo wird Euch Weihwasser und Wachs geben, und solange Ihr der Hexe nicht in die Augen schaut und nicht zu beten vergeßt, kann Euch nichts Böses widerfahren. Sie ist jetzt harmlos.«
    »Was habt Ihr meinem Weib getan, Meister Fuchs?« rief ich schreckensbleich.
    »Wir haben sie in den Stock gelegt«, antwortete er, »und dann untersuchte ich sie, wie es meine Pflicht vorschreibt, um mich zu vergewissern, daß sie nicht in ihren Kleidern oder am Leibe einen verfluchten Talisman verborgen trägt, der diesen guten Mann und seine Familie in Gefahr bringen könnte.«
    Ich starrte in seine Augen, sein Gesicht und auf seine grausamen Hände; grenzenloser Abscheu und Ekel packten mich. Doch war nichts gewonnen, wenn ich ihn erzürnte.
    So bezähmte ich meine Gefühle und sagte demütig: »Lieber Meister Fuchs, ich bin ein unerfahrener Jüngling und verstehe

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