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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Prozeß kann mehrere Monate dauern, und ich versichere Euch, daß Pater Angelo ein frommer und rechtschaffener Mann ist, dem niemand Böses nachsagen kann. Aus diesem Grunde wurde er ja mit der schweren und überaus ernsten Verantwortung eines Inquisitors betraut. Lauft hinauf und auf den Söller hinaus, Michael Pelzfuß, und sagt ihnen, ich hätte Euer Weib weggebracht.«
    Unschlüssig, was ich tun sollte, hob ich Barbaras Haupt. Sie schlug die grünen Augen auf und flüsterte: »Liebster Michael, stoß mir das Messer ins Herz. Ich werde in deinen Armen sterben und keine Schmerzen fühlen.«
    Doch ich war ein Feigling, ein erbärmlicher Feigling, und klammerte mich an den Strohhalm, den Hoffnungsschimmer, der in Meister Fuchs’ trügerischen Worten zu liegen schien.
    »Du bist keine Hexe«, flüsterte ich ihr ins Ohr. »Die heilige Kirche kann kein falsches Urteil fällen. Ich will selbst mit Pater Angelo sprechen.«
    Ihre Antwort war ein schwaches Kopfschütteln. Sie versuchte sich an mich zu klammern; ich riß mich jedoch aus ihren Armen los und stürzte ins Obergeschoß hinauf, stieß die Tür zum Söller auf und lief, schreiend und gestikulierend, hinaus.
    »Ergreift ihn, ihr guten Leute! Er hat meine Frau zum Hintertor hinausgeführt. Rettet sie aus der Gewalt der Inquisition – rettet sie, denn sie haben das Stadttor noch nicht erreicht!«
    Ich brüllte und fuchtelte mit den Armen, bis der Lärm erstarb und sie meine Worte hören konnten. Als der erste die Seitenstraße hinablief, folgten ihm die übrigen auf den Fersen – eine heulende, gedankenlose Horde. Bald war der Marktplatz leer; nur Hüte, Stöcke, Scheiter und Steine lagen herum.
    Nach meiner Rückkehr ins Erdgeschoß mußte ich die übliche Rechnung für Dienstleistungen an die Stadt ausstellen:
    »Eine Hexe zum üblichen Preis erlegt … 7 Gulden.«
    Meister Fuchs unterzeichnete die Quittung mit vielen kunstvollen Schnörkeln, und der Schatzmeister zählte ihm widerwillig die sieben Goldstücke auf die Hand. Der Kommissär ließ sie in die Börse an seinem Gürtel gleiten und wandte sich an mich.
    »Wir müssen uns die Zeit bis Mitternacht vertreiben«, bemerkte er, »denn es wäre kaum ratsam, früher aufzubrechen. Glücklicherweise ließ ich den Hexenkarren in einem Stall vor der Stadt zurück, um kein Aufsehen zu erregen. Nichts hindert uns, den Abend in Eurem Heim zu verbringen, und Euer Weib Barbara kann uns das Abendbrot bereiten. Ihr wollt sie gewiß bis zum Gefängnis begleiten. Ich habe nichts dagegen, weil ich ja bewaffnetes Geleit anfordern will. Und Pater Angelo wird Euch gewiß unverzüglich vernehmen wollen.«
    Wir ließen die Ratsherren, die händeringend die Sache mit den zerbrochenen Fensterscheiben erörterten, stehen und stiegen die Kellertreppe zu unserer bescheidenen Behausung hinab, die so sicher war wie nur irgendein Teil des Rathauses. Rael lief uns freudewinselnd entgegen, und Meister Fuchs setzte sich, nahm den Hund auf den Schoß und streichelte ihn. Er hatte den Reisigen befohlen, vor der Tür Wache zu stehen, und Barbara kochte genug Suppe, daß sie auch für sie reichte. Es war eine gute Suppe, hatten wir doch keinen Grund, mit unseren Vorräten sparsam umzugehen. Meister Fuchs sprach fromm das Tischgebet und aß für zwei; mir aber war die Kehle wie zugeschnürt, und ich brachte nur wenige Löffel voll über die Lippen. Ich sah mich in unserem kleinen Heim um, und es war mir noch nie so traut, so lieb und so sicher erschienen wie in jenen letzten Stunden vor unserer Reise ins Reich des Schreckens.
    Nachdem die Wächter die Mitternachtsstunde ausgerufen hatten, schlichen wir geräuschlos aus dem Hof und die Gasse entlang, durch die Barbara zu fliehen versucht hatte. Niemand behelligte uns, und der Wache am Viehtor hatte der Rat geheime Weisung erteilt, uns unverzüglich und ungefragt passieren zu lassen. Bald ratterten wir im Hexenkarren über die tief ausgefahrene Landstraße zur Stadt des Fürstbischofs. Es war eine würzige Frühlingsnacht. Wir saßen auf Stroh und auf dem Boden des Karrens. Meister Fuchs hielt Rael auf dem Schoß und kniff den Hund ab und zu nachdenklich ins Ohr. Wäre Barbara gesund und bei Kräften gewesen, so hätten wir versuchen können, trotz der Gitterstäbe des Karrens, die uns wie ein Käfig umgaben, in die Dunkelheit zu entkommen. Aber sie war schwindlig und wäre nicht weit gekommen. Überdies ließ ich mich von der Hoffnung täuschen, Pater Angelo, dessen Frömmigkeit und

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