Michael, der Finne
Kräfte der Angeklagten gehen. Es ist natürlich ab und zu vorgekommen, daß Satan selbst einen Zauberer oder eine Hexe getötet hat, wenn er sah, daß ihr Widerstand nachließ, doch ist das nicht weiter schlimm, da ja ein solcher Tod den zwingenden Beweis liefert, daß es sich um Hexerei handelte. Dasselbe gilt von jedem Todesfall, der im Gefängnis eintritt.«
Der gute Gewürzwein brannte mir wie Galle in der Kehle, als ich diese Worte hörte, doch bestellte ich noch ein Glas für ihn. Er fuhr fort und nannte mir viele Beispiele für das Wirken des Teufels unter seinen Anhängern im Gefängnis. Er erzählte mir von einem zwölfjährigen Mädchen, das der Böse in der Zelle geschwängert hatte und die ihren nächtlichen Umgang mit ihm gestand. Sowohl sie als auch ihre Mutter wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
»Meister Fuchs«, sagte ich, »ich sehe, beim Teufel ist alles möglich. Aber Eure Geschichten erschrecken mich, und ich würde mich freuen, Pater Angelo so bald wie möglich aufsuchen zu können, auf daß ich ihm die ganze Sache vortragen und an seine Gerechtigkeit appellieren kann.«
Meister Fuchs vermittelte mir diese Vorsprache höchst zuvorkommend, und am selben Nachmittag suchte ich Pater Angelo in seiner schmucklosen Zelle im Dominikanerkloster auf.
4
Meine Angst war groß; aber als ich im Inneren der Klostermauern dahinschritt, in ihrem Schweigen den vertrauten Geruch nach Weihrauch und schweißigen Mönchskleidern atmete und dem Laienbruder über die kalten Steinfliesen folgte, wurde mir leicht ums zerrissene Herz.
Hier ist das Haus Gottes, dachte ich. Jahrhunderte des Gebets, der Abtötung und frommer Betrachtung haben es geheiligt. Es gibt gute und schlechte Mönche, aber das Haus Gottes steht hier als ein Unterpfand, daß Barbara nichts Böses wiederfährt.
Als ich die Zelle betrat, erhob sich Pater Angelo, der vor dem Bilde des Gekreuzigten auf den Knien gelegen hatte. Ich warf mich ihm zu Füßen und küßte den Saum seines schwarzen Habits. Er trug keine Sandalen; an seinen knorrigen Füßen traten die Adern hervor; ich sah, daß er das ganze Jahr über barfuß gehen mußte. Dennoch waren seine Füße ganz rein, und als ich den Blick erhob, merkte ich, daß auch sein Gesicht rein und strahlend war. Fasten und Andachtsübungen hatten es abgezehrt; und Güte leuchtete daraus, als er sich niederbeugte, um mich aufzuheben.
»Kniet nicht vor mir, Michael Pelzfuß«, sagte er, »sondern nur vor Gott und seinen Heiligen. Verehrt in mir nicht den Menschen, sondern die ewige und unerschütterliche Gerechtigkeit der Kirche, welche die Schuldigen verdammt und die Unschuldigen freiläßt. Setzt Euch, mein Sohn. Seid getrost und erzählt mir alles, was auf Eurem Gewissen lastet, denn dadurch werdet Ihr Euch und Eurem Weibe am besten helfen.«
In seinen Worten lagen so viel Freundlichkeit und Trost, daß ich, durch die lange Qual der Angst, des Fastens und der Schlaflosigkeit geschwächt, in Tränen ausbrach. Er beruhigte mich und ließ mich auf einem niedrigen Schemel neben seinem Stuhl sitzen, und unter seinen mitleidigen Worten schmolz der Panzer um meine Seele. Ich schilderte ihm mein ganzes Leben, gestand, daß ich unehelicher Abkunft war, und sprach von meinem ernsten Verlangen, der Kirche zu dienen. Ich zeigte ihm mein zerknittertes Diplom von der Universität Paris und erklärte, daß mich die harten Schläge des Schicksals zur Reue über meine Sünden und zu einer Wallfahrt zum Heiligen Grab unseres Erlösers bewogen hatten; daß ich aber unterwegs überfallen, ausgeraubt und im Wald wie tot liegen gelassen worden war.
»Barbara Büchsenmeisterin war es, die mich in diesem trostlosen Zustand fand, und es schien, als hätte Gott sie auf seinen geheimnisvollen Wegen zu mir geführt«, fuhr ich fort. »Barbara war freundlich und zärtlich. Sie pflegte mich gesund und kleidete mich, denn ich hatte nicht einmal ein Hemd am Leibe. Mein Herz neigte sich ihr zu, und wir hielten Hochzeit, um bis ans Ende unserer Tage gemeinsam leben zu können. Wir führten ein karges Leben voll schwerer Arbeit und taten niemand ein Leides. Nur die Bosheit unserer Mitmenschen, die Barbara wegen ihres Äußeren von Kind auf quälen, ließ diesen fürchterlichen Verdacht entstehen, dem sie nun zum Opfer gefallen ist. Aber ich, ihr Gatte, kenne sie am besten, und ich schwöre bei Gott selbst und bei den heiligen Sakramenten, daß sie schuldlos ist an dem abscheulichen Verbrechen, dessen man sie anklagt!«
Pater
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