Michael, der Finne
litt und es scheute, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich versicherte ihm, daß wir unsere Gebete nie vergessen und alle Fasttage eingehalten hatten.
Ich setzte hinzu: »Ich bereue unsere Nachlässigkeit tief und sehe ein, wir hätten dem Übelwollen der Leute Trotz bieten und unsere Christenpflichten sorgfältiger erfüllen müssen, wie wir es ja in der Tat halten wollten.«
»Die Unschuldigen fürchten weder ihre Mitmenschen, noch meiden sie sie«, sagte Pater Angelo. »Hexen haben triftige Gründe, der Messe fernzubleiben, und daß sie die Sakramente vernachlässigt hat, wiegt als Beweis noch schwerer. Freilich ist Satan so ränkevoll, daß ich es als ebenso schwerwiegenden Umstand betrachtet hätte, wenn sie eine fleißige Kirchengängerin und Kommunikantin gewesen wäre.«
»Meine Gemahlin ist keine Hexe«, erklärte ich, denn ich wußte nicht, was ich sonst hätte sagen sollen.
»Ihr freitet Barbara Büchsenmeisterin. Ist sie denn schön in Euren Augen?«
»Ich finde sie schön«, entgegnete ich.
Da fiel mir ein, wie sie im Stock, im Schmutz und Gestank des Gefängnisturmes lag, und ich rief: »Pater Angelo, in meinen Augen ist sie die lieblichste Frau, und ich liebe sie mehr als alles auf der Welt!«
Pater Angelo fuhr heftig auf und bekreuzigte sich.
»Es ist genug«, sagte er. »Von nun an müßt Ihr Euch unablässigem Gebete, der Abtötung und Buße widmen. Ich habe die Hexe Barbara noch nicht gesehen, weiß aber, daß sie häßlich ist. Sie ist älter als Ihr und hatte ihre besten Jahre zum Freien hinter sich, als sie Euch begegnete. Von nun an dürft ihr keinen Schritt mehr aus den Klostermauern tun. Ich will Euch unter die Aufsicht des Priors stellen, so daß ihr beten und Buße tun könnt, bis alle Zeugen versammelt sind und der Prozeß beginnen kann.«
»Vater«, rief ich und fiel vor ihm auf die Knie. »Ich wünsche nichts sehnlicher, als zu beten und das Fleisch zu kasteien, aber erlaubt mir, mein Weib im Gefängnisturm zu besuchen und sie in ihrer Einsamkeit zu trösten, denn mir brennt das Herz beim Gedanken an ihre fürchterliche Lage.«
Meine Bitten ließen ihn ungerührt, ja, meine Hartnäckigkeit hatte angefangen ihm lästig zu fallen. Daher schwieg ich. Er führte mich zum Prior. Zur Complet gab man mir eine Kerze in die Hand und steckte mir geweihtes Salz in den Mund, während die Mönche sangen, um mir den Teufel auszutreiben, und Pater Angelo und andere gute Patres heiße Gebete für mein Seelenheil aufopferten. Diese erschöpfende Zeremonie beruhigte mich so weit, daß ich in einen todesähnlichen Dämmerschlaf versank. Doch drei Stunden später schüttelten und weckten mich die Mönche zum Nachtoffizium.
Diese Behandlung wurde tagein, tagaus fortgesetzt, und das beständige Wachen und die Bußkost hielten mich in einer wohltuenden Betäubung. Doch ab und zu erhellte klares Bewußtsein mein Inneres, und wenn ich an Barbara und ihr Leben im Gefängnis dachte, war mir, als hätte man mir ein Messer in die Brust gestoßen. In meinem Schmerz schrie ich auf und beschwor die Brüder, mich mit geknoteten Stricken und Dornen zu züchtigen, auf daß meine leiblichen Schmerzen die anderen, die ich um meine Geliebte erlitt, ertöten möchten. Und die guten Mönche schlugen mir den Rücken wund, um mir den Teufel auszutreiben.
Fast zwei Monate vergingen, und rings um die Stadt des Fürstbischofs stand der Sommer in Blüte. Ich aber wußte nichts vom Sommer, denn meine Wohnung war eine kahle Zelle, mein Bett die Steinfliesen und mein einziger Weg der gewölbte Gang zur Kirche. Allmählich legte sich der Aufruhr in meinem Inneren, und als der gute Prior sah, daß ich von meinem Leiden geheilt war, gewährte er mir eine Erleichterung der harten Klosterzucht. Man gab mir meine eigenen Kleider zurück, setzte mir nahrhafte Kost vor, und nach wenigen Tagen war mein Kopf wieder klar, ich wieder ich selbst. Daraus schloß ich, daß der Prozeß bald beginnen sollte, und wurde von großer Ungeduld erfüllt.
Eines Tages bat ich den Prior um die Erlaubnis, mir in der Stadt das Haar schneiden lassen zu dürfen, erhielt sie auch und ging geradewegs zum Gefängnis. Ich wagte nicht, den Türhüter anzusprechen, trat aber in den Hof, um wenigstens den starken Turm zu sehen, in dem Barbara lag. Bei seinem Anblick vergoß ich bittere Tränen. Plötzlich sah ich Barbaras Vater, den Büchsenmacher, vom Tor des bischöflichen Palastes auf das Hoftor zugehen. Ich lief ihm nach und begrüßte ihn, so
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