Michael, der Finne
herzlich ich konnte; er zeigte zwar kein sonderliches Vergnügen, mich zu sehen, hatte aber Wein getrunken und brauchte jemand, mit dem er reden konnte. So lud er mich nach einigem Zögern in eine Taverne ein. Als er sich erst auf die Holzbank niedergelassen hatte, löste sich seine Zunge, und er begann des langen und breiten über die schlechten Zeiten im allgemeinen und ihre schlimmen Folgen für sein eigenes Gewerbe im besonderen zu jammern.
Schließlich übermannte mich meine Ungeduld; ich unterbrach ihn mit hastiger Zustimmung und Anteilnahme an seinen Sorgen und fragte: »Aber Ihr wißt nichts Neues von Eurer Tochter Barbara, mein lieber Vater?«
Er blickte mich von der Seite an und begann zu kichern.
»Ich habe meine Aussage gemacht und mein Kreuz hinter meinen Namen geschrieben«, meinte er. »So bin ich sie endlich los und habe die unumschränkte Gewähr, daß weder ich noch meine Familie ihretwegen jemals wieder, in Schwierigkeiten oder Unannehmlichkeiten geraten. Unser guter Name ist wiederhergestellt, und niemand kann uns etwas nachsagen. Dies ist der glücklichste Tag meines Lebens, und der ist mir noch einen Humpen wert; denn nun kann mein. Sohn sein Leben von vorne beginnen, und all die drückenden Jahre liegen hinter uns.«
»Habt Ihr gegen Eure eigene Tochter ausgesagt?« rief ich schreckensbleich. »Könnt Ihr Euer eigenes Fleisch und Blut so verabscheuen? Dann ist die Welt in der Tat verrückter, als ich dachte.«
Er setzte seinen Humpen auf den Tisch, um ihn aufs neue füllen zu lassen, und erwiderte: »Michael, ich grolle Euch nicht, aber zahlte ich Euch nicht an Eurem Hochzeitstag fünfzig Gulden, um die Hexe aus unserer guten Stadt wegzubringen? Doch Ihr habt Euch zum Bleiben entschlossen und müßt die Folgen tragen. Ich wasche mir die Hände in Unschuld, und mein Weib und mein Sohn desgleichen. Ihr fragt, ob ich meine Tochter hasse. Nun, da mich jene verdammten grünen Augen nicht mehr anstarren, laßt Euch sagen, daß ich sie seit ihrer Geburt hasse. Ich glaube übrigens, sie ist nicht meine Tochter, sondern irgendeine Teufelsbrut hat in Gestalt eines Inkubus meiner armen Frau beigewohnt.«
Ich betrachtete ihn, seine mürrischen Blicke, seine feuchten, vom Trunk verschwommenen Augen. Ich sprang auf, schüttete ihm das Bier ins grobe Gesicht, stürzte aus der Taverne und schlug die Tür hinter mir ins Schloß.
Aber mein Zorn war schnell verraucht. Meine hilflose Wut konnte Barbara nichts nützen, und ich würde klüger daran tun, eine höfliche Sprache zu führen, wenn ich hoffte, ihr dienen zu können. So legte ich das Kleid der Bescheidenheit wieder an und kehrte ruhig ins Kloster zurück. Kaum hatte ich meine Zelle betreten, als auch Pater Angelo schon nach mir sandte. Er saß hinter einem dicken Stoß von Papieren.
»Stählt Euer Herz, mein Sohn Michael, auf daß Ihr die Wahrheit ertragt«, sagte er freundlich. »Der Prozeß beginnt heute, und Ihr müßt stark sein. Um Euch auf die Dinge vorzubereiten, die Ihr zu erdulden habt, werde ich Euch das gesammelte Beweismaterial vorlegen, obwohl dieser Schritt nicht mit der angebrachten Gerichtspraxis in Einklang steht. Ich tue ihn um Eurer Seele willen. Wisset denn, Euer Weib ist eine Hexe.«
Das hatte ich erwartet; daher antwortete ich nicht, sondern neigte nur den Kopf und schlug ein Kreuz, um ihm zu gefallen. Dann fragte ich ruhig: »Darf ich sie beim Prozeß sehen?«
Pater Angelo seufzte.
»Wir können es nicht hindern, und Eurem Seelenheil wird es nützen, wenn Ihr anwesend seid. Doch wenn Ihr diese beschworenen Aussagen gelesen habt, werdet Ihr keine Zweifel mehr hegen. Später will ich Euch bitten, Eure eigene Aussage zu unterzeichnen, die vom Sekretär des Inquisitionsgerichtes nach meinem Diktat niedergeschrieben wurde.«
Er reichte mir die Papiere, und ich begann sie aufmerksam durchzulesen, obwohl ich bisweilen einen zornigen oder erstaunten Ausruf nicht unterdrücken konnte. Doch bezähmte ich mich und hielt die Augen gesenkt, so daß Pater Angelo ihren Ausdruck nicht bemerken konnte. Sein forschender Blick ruhte unverwandt auf mir, und die Überzeugung hatte sein schönes, gedankendurchfurchtes Gesicht in Stein verwandelt.
Ich will nur einige jener Aussagen erwähnen. Eine stammte von den Eltern eines früheren Freiers um Barbara. Darin wurde beschrieben, wie sie auf einer Wiese außerhalb der Stadt mit dem Jüngling heftig gezankt habe. Sie habe Gebärden gegen den Himmel gemacht, worauf ein fürchterliches Unwetter
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