Michael, der Finne
Waffe, die der Teufel selbst führt, um mich zu versuchen, seine Anhänger zu retten.«
»Ich glaube nicht, daß mein Weib eine Hexe ist, was immer für Klagen man gegen sie vorbringen mag«, versetzte ich.
Pater Angelo stützte das Haupt in die Hände, seufzte schwer und sandte ein stilles Gebet gen Himmel.
»Michael«, sagte er, »ich bin schwach. Seit meiner Kinderzeit leide ich unter dem bloßen Anblick von Tränen; das Leiden anderer macht mich krank. Eben wegen dieser Unvollkommenheit wurde ich für diese Aufgabe ausersehen, auf daß ich meine menschlichen Schwächen überwinde und dadurch Gott verherrliche. Seine Kirche steht und wird immer stehen, Michael. Ihre Pfeiler, ihr Dach werden immerdar unser Schutz sein. Irdischer Tand wird vergehen, aber die heilige Kirche besteht.«
Seine Worte trafen mich wie Keulenschläge, sagten sie mir doch, daß die heilige Kirche mit dem ganzen Gewicht ihrer Tradition und ihrer großen, ehrwürdigen Väter Barbara feindlich gegenüberstand. Sie stand allein und hatte niemand, der sie verteidigen konnte. Selbst ich, ihr Gatte, hatte eine Aussage unterzeichnet, die zu einer Waffe in den Händen ihrer Feinde werden sollte.
5
Der Gerichtshof trat im Gefängnisturm des bischöflichen Palastes zusammen, in einem kahlen Raum, der durch Schießscharten in den dicken Mauern notdürftig erhellt wurde. Als ich die ehrwürdigen Väter erwartete, spähte ich durch diese schmalen Öffnungen und sah zu meinem Erstaunen, daß außerhalb der Stadt der Sommer regierte, die Bäume in dichtem Laub standen und ringsum alles grün war; denn das Turmgemach lag hoch über den Stadtmauern und bot eine großartige Aussicht bis zu den Alpen, die wolkengleich in der Ferne aufragten.
Pater Angelo, dem Vorsitzenden des Gerichtshofes, standen zwei andere Dominikaner zur Seite, deren einer die Anklageschrift verlas. Meister Fuchs war der Ankläger. Sonst durfte niemand zugegen sein. Als Barbara vorgeführt worden war, mußten die Wachen und selbst der Schließer draußen vor der verschlossenen Tür bleiben.
Barbara hatte man gewaschen und gekämmt und in einen rauhen, sauberen Kittel gekleidet – das einzige, was sie am Leibe trug. Ich hatte diese Begegnung gefürchtet und mir die Schrecken und die Qual ihres Gefängnislebens ausgemalt, bemerkte aber keine Spuren von Mißhandlung, und ihr Anblick beruhigte mich. Dennoch war sie merklich schlanker geworden, und am Mundwinkel hatte sie eine Narbe; sie schien mir nun auffallend häßlich. Ihr Haar war rostfarben und stumpf, und als sie versuchte, sich mit zusammengekniffenen, blinzelnden Augen an das Licht zu gewöhnen, sah ich die gelben Sommersprossen, die ihr Gesicht bedeckten. Ich glaube, es dauerte wohl ein Weilchen, bis sie überhaupt sehen konnte, denn sie rieb sich ab und zu die Augen, als schmerzten sie.
Das Verhör dauerte mehr als zwei Stunden. Pater Angelos Anklage auf Hexerei und Bündnis mit dem Teufel wies Barbara gelassen zurück. Dann verlas der Sekretär mit eintöniger Stimme die verschiedenen Aussagen, und Barbara beantwortete die Fragen des Inquisitors einmal mit Ja, dann wieder mit Nein. Ich war erleichtert, sie immer noch schlagfertig und entschlossen zu finden, denn sie bejahte alles, was wirklich geschehen war und bewiesen werden konnte, wie ihren Streit mit dem Freier und mit der jungen Mutter, das Zerspringen des Schmelzofens und den Armbruch des Steuereinnehmers. Sie bestritt aber entschieden, bei diesen Unglücksfällen irgendwie die Hand im Spiel gehabt zu haben. Ihre Anwesenheit und ihr überzeugendes Verhalten verfehlten ihren Eindruck auf mich nicht, so daß sie meine heimlichen Zweifel zerstreute und ich aufrichtig an ihre Unschuld glaubte.
Als endlich meine Aussage verlesen wurde, hatten sich ihre Augen an das Licht gewöhnt, und sie sah mich in meiner Ecke sitzen. Ein Leuchten ging über ihr schmales Gesicht, sie war plötzlich schön in meinen Augen, und Entzücken erfüllte mein Herz.
Nachdem alle Aussagen verlesen waren und die Mitglieder des Gerichtshofes sie Punkt für Punkt erörtert hatten, sprach Pater Angelo mit kalter, strenger Stimme also: »Hexe Barbara! Im Licht dieser unbestreitbaren und einander ergänzenden Aussagen findet dich das Gericht der heiligen Inquisition schuldig der Hexerei in allen vorerwähnten Fällen, die unschuldigen Leuten viel Schaden und Not bereitet haben. Da es keine Hexerei ohne die Hilfe des Teufels gibt, betrachtet das Gericht auch diese weitere Anklage als voll erwiesen.
Weitere Kostenlose Bücher