Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
Wespennest geraten. Von Truchseß ist offenbar ein tüchtiger Feldherr – natürlich nicht zu vergleichen mit dem Marquis von Pescara –, und ich wette, er will uns in dieser Donauschleife fangen, bevor der Sand im Stundenglas zur Hälfte durchfließt. Da kommen schon Ochsengespanne mit Feldschlangen dahinter, und ich will nun Urlaub nehmen, da ich als Fremder hier nichts verloren habe.«
    Die Bauern zogen ihre Wagen in einen Ring, trieben Pfähle in den Boden und spannten Seile dazwischen. Ich sah, daß sie auch zwei kleine Kanonen in Stellung brachten und daß Schützen mit Handflinten unter ihnen waren.
    Bei diesem Anblick frohlockte ich und sprach zu Andy: »Geh deines Weges, Andy, wenn du willst, und wenn dein Gewissen dich ziehen läßt. Mein Platz aber und der meiner guten Büchse ist hier unter diesen wackeren Burschen, die, wie es scheint, bereit sind, für Gottes Gerechtigkeit zu kämpfen.«
    Madame Geneviève weigerte sich unverhohlen, ohne die Truhe auch nur einen Schritt zu gehen, und unterstrich ihre Weigerung, indem sie sich über den Deckel warf und sich mit beiden Händen daran klammerte. Der bäuerliche Eigentümer warf einen hastigen Blick ins Tal, wo Kompanien von Pikenieren zu kleineren Abteilungen abfielen und den Hügel in untadeliger Ordnung einschlossen, und bemerkte eilig, weltliche Eitelkeit bedeute ihm nichts; sein einziger Edelstein sei das Wort Gottes, und er wolle sich daher mit dreißig Gulden begnügen. Dieser vorteilhafte Handel und Madame Genevièves Halsstarrigkeit verblendeten mich, und ich zählte ihm eilends das Geld hin und nahm mir nicht einmal Zeit, die vollgewichtigen von den untergewichtigen Gulden zu scheiden.
    Andy aber sagte: »Michael, ich bitte dich um unserer langen Freundschaft willen, komme mit mir. Ich mag einfältig sein, aber die Erfahrung sagt mir, daß dies unsere letzte Gelegenheit ist. Da Madame Geneviève halsstarrig ist, will ich auch die Truhe mitnehmen. Aber wir müssen augenblicklich fort von hier.«
    Allein mein Glaube an den Sieg des Rechts über das Unrecht machte mich taub für die Stimme der Vernunft. Ich glaube, meine Heldentat mit der Petarde war mir zu Kopf gestiegen; überdies hatte ich die Bauern noch nie unterliegen sehen.
    Ich antwortete verächtlich: »Lauf weg, Andy! Rudere über die Donau, in Sicherheit. Ich werde dich holen, wenn wir des Fürsten Truppen geschlagen haben – und wenn du wieder mit deinen Kriegstaten prahlst, weiß ich, was ich davon halten soll.«
    Andy blickte um sich, bekreuzigte sich und meinte: »Zu spät. Wir haben mit dem Gerede die Zeit vergeudet. Ich will bei dir bleiben, da ich den weiten Weg von Italien gekommen bin, eben um dich aus solcher Not zu retten.«
    Es war keine Zeit für weitere Worte, denn Hauptleute, Fähnriche und Feldwebel, mit Hahnenfedern als Rangabzeichen auf den Hüten, liefen nun gleich kopflosen Hühnern hin und her und pufften ihre Leute in Stellung. Unter den fünftausend Verteidigern befanden sich etwa dreißig Arkebusiere. Ich trat unter sie, als die Reiter den Hügel heraufkamen, trieb meine Gabel in den Boden und schüttete, obgleich mir das Herz bis in den Hals herauf schlug, Pulver auf die Pfanne, lud und feuerte. Als die Reiter unsere Waffen aufblitzen sahen, schwenkten sie zur Seite, um das Fußvolk durchzulassen und den Hügel einzukreisen.
    Die Pikeniere rückten mit kurzen, festen Schritten vor, den Hügel herauf, und ihre Artillerie unterstützte sie durch schweres Feuer. Die Wagenburg, die wir zu unserer Verteidigung errichtet hatten, wurde zertrümmert und umgeworfen; die Unseren rannten ziellos durcheinander. Als das erste Glied der Pikeniere unsere Verschanzungen erreicht hatte, hieß mich Andy mitten unter sie feuern; er schwang seinen Bihänder. Doch es war vergeblich. Angesichts der langen, gefährlichen Piken kamen den Bauern plötzlich Zweifel an der Gerechtigkeit ihrer Sache, und da sie keinen Druck hinter sich hatten, gaben sie Fersengeld und hasteten zwischen den Vierecken des Fußvolks hügelab, der Stadt zu.
    Über diese heillose Flucht lachte Andy und meinte: »Glaubst du mir nun, Michael? Komm, wir müssen laufen. Jetzt gilt’s!«
    Das brauchte er nicht zweimal zu sagen; wir rannten Hals über Kopf davon; Andy bahnte uns den Weg mit seinem Bihänder, ich mit dem Kolben meiner Büchse. Unsere Pferde waren verschwunden, und Madame Geneviève kreischte, rang die Hände und beschwor uns, ihre kostbare Truhe zu retten; Andy aber schlug ihr eins über den Mund und

Weitere Kostenlose Bücher