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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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pelzbesetzte Umhänge, Spitzen und Federn. Sie enthielt auch eine Schachtel mit Salben und Schminke und silbergefaßte Spiegel, Bürsten, Kämme, Zangen und Spachteln, und gehörte zweifellos einer vornehmen Frau, die sie für die Flucht eingepackt hatte. Madame Geneviève schlang die Arme um meinen Hals – sie hätte es mit Andy ebenso gemacht, wenn er sie hätte gewähren lassen – und bat uns, die Truhe samt allem, was darin sei, zu kaufen, denn es sei gerade das, was sie brauche. Sie meinte schäkernd, wir würden sie nicht erkennen, wenn sie die neuen Kleider angelegt und sich das Gesicht geschminkt hätte, und sie trippelte, in der anmutigen Art der Französinnen, so leicht und bezaubernd um uns herum, daß ihr Gebaren und die Frühlingssonne und die grünen, blumenübersäten Hänge mir die Gedanken an meine Jugend wachriefen und ich den Fähnrich fragte, was die Truhe kosten sollte.
    Darauf folgte ein langes und auf seiner Seite gar wortreiches Feilschen. Er hätte die Sachen seinem Weib zugedacht und könne keineswegs unter tausend Gulden herabgehen. Selbst die Juden hätten ihm hundertfünfzig geboten. Madame Geneviève flehte mich an und weinte und brachte mich so weit, daß ich ihm schließlich sechzig bot, worauf er den Deckel der Kiste krachend zuschlug und meinte, er wolle kein Wort mehr hören.
    Andy hatte mittlerweile auf die Hügel und ins Donautal hinausgespäht. Der Fluß war über die Ufer getreten und hatte das Städtchen in seiner schäumenden Schleife halb eingeschlossen.
    »Ich sehe Reiter herankommen«, sagte er. »Sie tragen Rüstungen und führen Lanzen und haben es offenbar recht eilig. Ich halte sie eher für Fürstliche als für Bauern; ihre Pferde sind so wohl gehalten.«
    Der Fähnrich wandte sich, schneuzte sich mit den Fingern und sagte: »Unser sind viele, und ich kenne nicht einmal alle meine eigenen Leute. Die dort sind gewiß vom anderen Donauufer gekommen und wollen sich uns anschließen.«
    Wir spähten das Tal hinab und sahen die Reiter in vollem Galopp auf ein paar Bauern lossprengen, die Wagen voll Getreide lenkten. Die Reiter durchbohrten sie und ritten sie über den Haufen. Wir hörten schwache Schreie und sahen zwei Zugpferde scheuen und ihre Wagen umwerfen. Doch auf die große Entfernung und durch den Dunst nahm sich der ganze Vorgang wie ein Traum aus, und wir konnten nicht glauben, daß wir recht gesehen hatten.
    Andy aber wies auf einen zweiten Reitertrupp, der sich auf einer anderen Straße der Stadt näherte.
    »Ich besitze eine gewisse bescheidene Kriegserfahrung«, sagte er, »und es scheint mir hoch an der Zeit, Alarm zu schlagen, denn wenn ich nicht sehr irre, so sind das von Truchseß’ Späher, die er zur Aufklärung vorgeschickt hat. Die Hauptmacht kann nicht weit zurück sein, sonst hätten sie sich niemals vor unserer Nase auf ein Scharmützel eingelassen.«
    Der Bauernführer lachte Andy aus vollem Herzen aus, doch im selben Augenblick schlugen die Kirchenglocken an. Von allen Toren strömten die Bauern gleich Bienen zur Schwarmzeit herbei und eilten den Hügel hinan, über ihre Lanzen stolpernd. Beide Reitertrupps hielten, um das Gelände zu überschauen; plötzlich warfen sie die Pferde herum und sprengten im Galopp davon.
    Auf unserem Hügel begannen die Trommeln zu dröhnen; aus Schuppen und Speichern krabbelten die Bauern und rieben sich den Schlaf aus den Augen.
    Der Fähnrich war blaß geworden, versuchte aber, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und meinte: »Wenn das wirklich die Leute der Fürsten waren, dann waren es nur wenige, und wir werden sie mit Gottes Hilfe in offener Feldschlacht schlagen. Doch wäre es vielleicht klug, unsere Stellung hier zu befestigen. Ich bitte Euch, Herr, als hohen Offizier, uns zu beraten. Unser herkömmlicher Brauch ist es, uns hinter einer ringförmigen Wagenburg zu verschanzen; allein wir würden gerne neuere Methoden erproben, wenn Ihr solche von Euren ruhmreichen Schlachten her kennt.«
    Nun wurden Pikeniere sichtbar; sie zogen im Gleichschritt das Tal entlang, von Reitern flankiert.
    »Sagtet Ihr sechzig Gulden, edler Herr? Legt noch zehn dazu, und die Truhe gehört Euch.«
    Madame Geneviève, unberührt von den Reitern und dem durch das Tal vorrückenden Lanzenwald, hüpfte vor Freude wie ein kleines Mädchen und bat mich, den Handel mit Handschlag zu besiegeln. Andy aber hielt mich zurück.
    »Verschiebt euren Handel lieber auf einen günstigeren Zeitpunkt. Mir scheint, wir sind in ein schlimmes

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