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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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schleppte sie mit. Wir preschten durch das Gewirr der Flüchtenden; irgendwie gelang es uns, beisammen zu bleiben. Ich hielt mich an Andys Ledergürtel fest, und er schleppte Madame Geneviève dahin, einmal am Arm, dann wieder an den Haaren, wobei er immer noch eine blutige Gasse durch die Masse der Bauern oder die mörderischen, hauenden und stechenden Pikeniere hieb. Wenigstens zweitausend fliehende Bauern fanden an jenen Abhängen den Tod.
    Andy führte uns ohne Halt durch die Stadt Leipheim und auf der anderen Seite wieder heraus. Erst am Ufer des Flusses machte er halt, um Atem zu schöpfen und das wirbelnde, grüne Hochwasser zu überblicken. Bauern, die uns gefolgt waren und sich in ihrem hellen Entsetzen in den Fluß stürzten, versanken und wurden stromabwärts getragen; allenthalben sah man die Köpfe sich drehen und die Arme um sich schlagen.
    Während Andy wieder Atem schöpfte, verlief sich der Haufen allmählich. Er erblickte einige Männer weiter oben am Ufer, die ein gestrandetes Boot ans Wasser schleppten. Er zerrte uns dahin und rief ihnen zu, auf uns zu warten. Sie aber dachten nicht daran, und kaum hatten sie ihr Boot im Wasser, als sie sich schon selbst kopfüber hineinstürzten. Das Boot blieb im Schlamm stecken und rührte sich nicht von der Stelle.
    Andy ergriff den Achtersteven, setzte seine ganze Riesenkraft ein und zog Boot und Männer ans Ufer. Er sprach gar freundlich zu diesen Flüchtlingen und wollte ihnen das Boot abkaufen; als einzige Antwort erhielt er jedoch einen Schnitt quer über die Hand. Gleichmütig bemerkte er, wenn sie Gewalt lieber hätten als einen redlichen Handel, so sei er ihr Mann. Dann fällte er mit der flachen Klinge den Kerl, der ihm den Schnitt beigebracht hatte/gab mir sein Schwert zu halten, stieg ins Wasser und begann die übrigen über die Schulter in den Fluß zu werfen. Die wirbelnden Wasser trugen sie fort, aber ein schmächtig gebauter Bursche flehte um Gnade und bat uns, ihn über die Donau mitzunehmen. Im Boot war Platz für vier; Andy hieß uns unverzüglich einsteigen, denn aus dem Stadttor strömten uns schon die Leute entgegen, und die feindlichen Reiter kamen näher. Er packte Madame Geneviève an den Haaren, denn sie hatte sich geweigert, ihr Leben einer so lecken, alten Nußschale anzuvertrauen. Ich duckte mich auf den Boden, um meine Büchse zu laden, und der Fremde ergriff die Ruder.
    Wir waren keinen Augenblick zu früh daran, denn Andy mußte mehreren Bauern auf die Finger klopfen, die versuchten, ins Boot zu klettern. Nur durch unablässige Schwerthiebe konnte er sich frei machen, das Boot abstoßen und an der Seite herunterkriechen. Viele wateten ins tiefe Wasser und versuchten, den Bootsrand zu erhaschen; wir wären gewiß gekentert, hätte ihnen nicht Andy die Finger abgehauen. Dann trug uns die Strömung fort. Der kleine Fremde begann wacker auf das andere Ufer zuzurudern, und Andy half ihm mit dem Steuerruder, obwohl wir uns ein paarmal gleich einem Kork auf einem Strudel drehten und uns der Mut gar kläglich sank. Aber Andy war nicht froh.
    Er starrte düster vor sich hin, murmelte ein kurzes Gebet und sagte: »Möge mir meine Grausamkeit am Ufer vergeben werden, denn ich habe übel daran getan, Unschuldigen Hände und Finger abzuhauen. Aber das Boot konnte nur vier Mann aufnehmen, und ist es nicht besser, daß vier gerettet werden, als daß alle ertrinken?«
    Unser armseliges Boot tanzte auf den schäumenden Fluten wie eine Nußschale und leckte so stark, daß wir bis an die Hüften naß waren, als wir endlich das Ufer erreichten. Kaum fühlte ich trockenen Boden unter den Füßen, als mich grimmiger Rachedurst befiel. Ich hatte mein Pulver trockenhalten können, und ungeachtet der Einwände Andys schritten wir stromaufwärts das Ufer entlang und gesellten uns zu einer Gruppe, die gegenüber dem Wassertor der Stadt stand und auf die Ertrunkenen und Ertrinkenden, die vorbeitrieben, sowie auf das entsetzliche Blutbad starrte, das am anderen Ufer begonnen hatte.
    Pikeniere und Kürassiere hatten einen nach Tausenden zählenden Bauernhaufen eingeschlossen und machten ihnen nun den Garaus. Ein Stück weiter weg bestieg ein Feldherr in schimmernder Rüstung einen edlen Rappen. An seinen wallenden Federn und der Standarte, die vor ihm wehte, erkannte ich, daß es Jürgen von Truchseß sein mußte. Er hatte das Visier gelüftet, und ich konnte seinen krausen Bart und sein hageres, dunkles Gesicht deutlich erkennen, als er wohlgefällig auf das

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