Michael, der Finne
mache mir schwere Sorgen über das Unheil, das der Welt bevorsteht, denn auch ich bin ein Bauernsohn, trotz der hohen Stellung, die ich erlangt habe. Der Herzog, mein Herr, wird von allen Seiten bestürmt – allein man sollte Doktor Luther nicht schmähen, denn er ist ein frommer Mann und der größte Gelehrte Deutschlands, und auch er wünscht, gleich meinem Herrn, nur das Wohl des Landes. Wie steht’s mit Euch, Meister Pelzfuß?«
Ich erwiderte, auch ich wünschte nur das Beste und sähe mit tiefer Besorgnis dem Schicksal entgegen, das die Bauern erwarte. Er zog mich an ein Fenster und wies durch die grüne Scheibe auf bewaffnete Reiter und Pikeniere, die unten mit der Genauigkeit eines Uhrwerks exerzierten.
Dann schüttelte er seinen Beutel und bemerkte nachdenklich: »Wir leben in schweren Zeiten, und am herzoglichen Hofe mangelt es an Bargeld. Überdies habe ich Enkelkinder, denen ich ein bescheidenes Vermächtnis hinterlassen will. Ich höre, Ihr habt da dem einen oder anderen Leutnant am Tor eine beträchtliche Summe verehrt, eine Verschwendung Eures guten Geldes, die ich nur beklagen kann. Auch ich habe eine Börse und könnte Euch so manchen nützlichen Rat geben.«
Ich antwortete hastig, ich sei ein armer Mann und könne mir seinen Rat nicht zunutze machen, wie gut er auch sei. Luther habe bereits gesprochen, und unaufhörlich strömten nun frische Truppen in den Hof. Mir bleibe nur übrig, augenblicklich zu Thomas Müntzer zurückzukehren und ihn zu bewegen, sich unverzüglich zur Schlacht zu rüsten.
Der Kämmerer pflichtete mir bei, setzte aber hinzu: »Es wäre fast besser, sie zerstreuten sich und kehrten an ihre Wohnorte zurück, wenn es nicht wegen des Unheils wäre, das die Fürsten ihnen zufügen würden, wenn sie keinen Widerstand vorfinden, ungehindert landauf, landab streifen und ihren Zoll auf dem Rücken der Bauern eintreiben könnten. Die Schwaben am See taten recht daran, auf einem uneinnehmbaren Schroffen ihre Stellung zu beziehen, so daß von Truchseß nicht wagte, sich auf eine Schlacht mit ihnen einzulassen. Die Streitkräfte der Fürsten sind nicht gar so groß; für einen Wissenden wäre es ein leichtes, ihre Stärke und ihre Marschrouten anzugeben, wenn er nur eines gebührenden Lohnes für seine Mühe sicher wäre.«
Unter den grauen, buschigen Augenbrauen warf er mir einen Seitenblick zu. Ich sah, daß er wußte, was er sagte; freilich fiel es mir schwer, an seine Redlichkeit zu glauben, war er doch Herzog Johanns rechte Hand. Ich fragte, was er unter einem gebührenden Lohn verstehe, er aber streckte mir die offenen Hände hin und meinte, er wolle sich mit dem begnügen, was ich ihm bieten könne. Dann führte er mich durch ein Labyrinth von Gängen in ein entlegenes Gemach, wo auf einem Tisch Brot, Käse, Fleisch und ein Krug Bier standen. Er entrollte eine schöngezeichnete, buntgemalte Landkarte und zeigte mir die Sammelpunkte der fürstlichen Truppen.
»Der gute Herzog Johann soll am siebenten Mai mobil machen«, sagte er, »und der Tag ist nicht mehr fern. Der gefährlichste Feind der Bauern aber ist der Vetter Seiner Gnaden, Herzog Georg von Sachsen, dessen Land unter Müntzers Streifzügen am meisten gelitten hat. Er soll nun Leipzig jeden Tag verlassen, kann jedoch, glaube ich, kaum mehr als tausend Reiter und zwei Kompanien Pikeniere aufbieten, einschließlich der Mansfelder, die unterwegs zu ihm stoßen sollen. Der tollkühne junge Markgraf Philipp von Hessen hat versprochen, ihm von der anderen Seite mit vierzehnhundert Berittenen und ebensoviel Fußvolk zu Hilfe zu eilen. Mag sein, daß auch der Herzog von Braunschweig ihn begleitet. Jedenfalls wollen die Fürsten in drei starken Stoßkeilen von Osten, Süden und Westen vorrücken, und wenn sie sich vor der Entscheidungsschlacht vereinigen können, wird ihre Stärke gewaltig sein. Doch wird nicht so heiß gegessen wie gekocht, und die Lage der Bauern ist nicht ganz aussichtslos, wenn sie sich nur bereitfinden, zu verhandeln und ein Übereinkommen zu erzielen.«
Ich aß Brot und Käse und spülte mit des Herzogs gutem Bier nach; dabei sah ich einmal auf die Karte, dann wieder in die lebendigen Augen und auf die buschigen Brauen des Alten.
»Wenn Eure Mitteilungen zutreffen, so sind sie mehr wert als alles Gold der Welt«, versetzte ich, »denn mit Gold kann sich ein Toter die Freiheit nicht mehr erkaufen. Allein ich bin arm, wie ich Euch schon sagte, und kann Euch nicht mehr bieten als, sagen wir, zehn Gulden.
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