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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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eigenen Heldentaten ebendort sprechen; als er mich jedoch erblickte, wie ich mich ärgerlich durch die Schar seiner Zuhörer zwängte, schaute er rundum und zog sein Pferd an sich. Er legte ihm einen Arm unter die Brust, den anderen unter den Leib und hob das arme Tier empor. Angesichts dieses Kraftstückchens brachen die Soldaten in laute Rufe der Bewunderung aus und machten ihm willig Platz, als er gemächlich mit dem hilflosen Pferd in seinen Armen dem Tor zuschritt. Ich machte mein eigenes Rößlein los und schritt hinter ihm über den Hof. Am Tor setzte Andy sein Tier wieder auf die Beine, klopfte ihm den Hals und kletterte in den Sattel – er war nicht einmal außer Atem – und wir ritten Seite an Seite aus der Festung und winkten den Soldaten zum Abschied zu.
    Ich konnte nur glauben, Andy habe sich tüchtig betrunken, denn sonst prahlte er niemals mit seiner Kraft. Gewöhnlich war er eine bescheidene Seele.
    Ich wollte nicht einmal mit ihm sprechen, bis wir die Stadttore hinter uns hatten; als wir aber wohlbehalten die Landstraße erreicht hatten, meinte ich erbittert: »Ich schäme mich für dich, Andy. Da zappelte ich in Todesgefahr in Doktor Luthers Krallen und verteidigte mit Klauen und Zähnen unsere Sache, während du dich inmitten unserer Gegner betrinkst und dich nicht entblödetest, vor meinen Augen ein armes Tier zu quälen.«
    Er blieb stumm. Sein Schweigen erboste mich so, daß ich meine Vorwürfe in gereiztem Ton wiederholte. Nun erst starrte er mich an und meinte: »Ohne mich dienten wir jetzt im Schloßhof zu Weimar den Krähen zum Fraß.«
    Ich versetzte, ich wünschte eine Erklärung, nicht das Gestammel eines Trunkenbolds.
    »Ich habe nicht getrunken, Michael. Es geht mir freilich über den Verstand, daß du so streng mit mir sein willst, wo du doch auf eine Pferdelänge nach Bier riechst. Aber als ich auf jenem Futtertrog saß, war mir so unbehaglich wie dem heiligen Petrus am Feuer im Hause des Hohenpriesters. Sie drangen unaufhörlich mit Fragen in mich: wer ich sei, woher ich käme, ich gehöre wohl zu den Mühlhausener Mördern, ich sei ja wohl mit dem gleichen jungen Kerl eingeritten, den man bald zum Hängen herausführen werde? Ich hatte alle Hände voll zu tun, daß sie unsere Pferde nicht stahlen, und mir fiel nichts Besseres ein, als von Pavia zu erzählen, denn das kann ich auswendig, und das Lügen fällt mir nicht leicht. Sie murmelten einander zu, sie wollten am Tor einen Streit vom Zaun brechen und uns beim Wegreiten umbringen. Ich habe keine Ahnung, warum sie das wollten – außer du hast oben im Schloß dummes Zeug dahergeredet. Deshalb hob ich das Pferd auf, um ihnen einen Schreck einzujagen – und so kamen wir durchs Tor. Aber es fehlte nicht mehr viel, und wir hätten den Hahn zum letztenmal krähen gehört; und wenn du, mein Herr und Meister, noch ein Weilchen länger weggeblieben wärest, hätte ich dich beim Kommen vielleicht verleugnet und gesagt: ›Ich kenne den Menschen nicht!‹«
    Andys Geschichte stimmte mich gar nachdenklich, und ich fragte mich, ob der Herzog mich etwa mit seinem Geleitbrief auf dem Leib am Tor erschlagen lassen wollte, so daß mein Tod ihm nicht zur Last gelegt werden konnte. Doch dies schien mir ein unnötig abwegiger Plan, selbst für den guten Herzog, und ich kam zu dem Schluß, es müsse an seinem Hof Leute geben, die sein doppeltes Spiel ahnten und es, als sie sahen, daß sein Kämmerer mich ins Vertrauen zog, für das beste hielten, mich abzufangen, bevor ich meine Geheimnisse den Bauern verraten konnte. Noch einige andere Möglichkeiten fielen mir ein, so daß mir der Kopf brummte wie ein Bienenstock. Daher beschloß ich, meinen früheren Plan aufzugeben und Andy alles zu erzählen.
    »Verzeih mir den häßlichen Verdacht«, sagte ich. »Ich sehe jetzt ein, daß du überaus geschickt gehandelt hast. Aber was würdest du darum geben, Herzog Johanns freies Geleit unterzeichnet und gesiegelt in der Tasche zu haben, um dich zu retten, wenn wir die Schlacht verlieren und unser Banner in den Kot gezerrt sehen sollten?«
    »Daß es zum Kampf kommt, ist sicher, und an der Ausbildung dieser Truppen habe ich erkannt, wie die Schlacht verlaufen wird. Sie haben auch Geschütze. Sei ganz sicher, daß dein Banner in den Kot gezerrt wird; ein Paß des Herzogs kann da ohne Zweifel gute Dienste tun. Aber mir sagt ein Gefühl, daß du Geld verschwendet hast und hoffst, deinen Verlust zur Hälfte bei mir decken zu können.«
    Seine Worte verletzten

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