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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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mich um so mehr, als ich in der Tat beabsichtigt hatte, unsere Auslagen auf praktische Weise zu teilen.
    Daher erwiderte ich: »Wie kannst du so schlecht von mir denken, mein lieber Andy? In Weimar konnte ich mir viele wertvolle Hinweise verschaffen, die ich dir mitteilen wollte, wenn du wenigstens fünf Gulden zu meinen großen Auslagen beisteuertest.«
    »Der Himmel verzeih dir deinen Geiz«, meinte Andy, fing aber an, die Schnüre seines Geldbeutels zu lösen. »Das soll aber das letztemal sein. Und du mußt schwören, daß du mir, wenn wir trotz alledem hier heil herauskommen, von nun an vertrauen und meinem Rat folgen wirst – und dich vielleicht von mir retten und in ein glücklicheres Land führen läßt –, ohne zu bocken und zu zanken und dich auf die Heilige Schrift zu berufen.«
    Das war eine bittere Pille, und wir ritten lange schweigend Seite an Seite durch den dämmernden Maiabend und den schweren, würzigen Duft der Wälder. Aber fünf Gulden waren fünf Gulden und nun obendrein leicht verdient, da ich mich bereits entschlossen hatte, Andy alles zu erzählen, was ich wußte, und im Notfall den Schutz meines Geleitbriefes auf ihn auszudehnen. Die süße Melancholie der Dämmerung über Thüringens grünen Hügeln, die nun das Abendrot verklärte, besänftigte mich.
    »Wie du willst, Andy«, sagte ich schließlich. »Ich habe immer gehofft, daß Menschen, die alle gleichermaßen erlöst worden sind, in Frieden zusammen leben würden und keiner zu reich oder zu arm sei. Ich habe daran geglaubt und bin deshalb dem Regenbogenbanner gefolgt. Sollte sich aber mein Glauben als irrig erweisen, so ist mir alles gleich, und ich will gehen, wohin du willst.«
    Andy versetzte: »Ich verstehe deine Trauer, Michael. Als ich ein kleiner Junge war, lief ich gern durch die Wälder dem Regenbogen nach, aber er entglitt mir und löste sich auf, gerade als ich ihn festzuhalten meinte. Nun langst du nach deinem Regenbogen – aber glaube mir, hier auf Erden wirst du seiner nie habhaft werden. Aber es gibt viele andere gute und angenehme Dinge auf der Welt. Wir leben in einer Zeit großer Umwälzungen, die wie geschaffen ist für junge Männer, Michael, und die weite grüne Erde lädt uns mit offenen Armen ein. Italien gefiel mir, und es sollte mich nicht wundern, wenn es dort irgendwo ein lächelndes Tal und einen zinnengekrönten Turm gäbe, die ein starker Mann für sich erobern könnte. Es sind schon größere Wunder geschehen, und Leute, die als unwissende Söldner begannen, sind als Feldmarschälle gestorben und von Rittern in goldverzierten Rüstungen und fünfhundert singenden Mönchen zu Grabe geleitet worden. Solche Geschichten wurden mir als wahr erzählt. Ich lauschte ihnen am Lagerfeuer, zitternd vor Kälte und hungrig, und erwärmte mich daran, wenn ich mich in die Welt hinausgestoßen fühlte gleich einem jungen Raben, der aus dem Nest gefallen ist.«
    Andy hätte mir solche Pläne wohl nicht anvertraut, wäre der Abend nicht so klar und so zauberhaft schön gewesen. Er vergaß sich und seine Einfalt und glitt, einem Kind gleich, ins Reich der Phantasie hinüber. Ich brachte es nicht übers Herz, ihm weh zu tun, obgleich ich innerlich gar bitter über seine Luftschlösser lachen mußte.
    »Es ist wahr, Schmiedejungen sind schon Könige geworden«, sagte ich, »und einer hat sogar den päpstlichen Thron bestiegen. Aber wer von uns beiden greift nun nach dem Regenbogen – du oder ich?«
    Andy antwortete milde: »Michael, ein Mensch erreicht alles, was er will, wenn sein Wille stark genug und er bei guter Gesundheit ist. Alles auf dieser Welt, meine ich, keine Regenbogen am Himmel. Als ich dies erkannt hatte, brach ich auf, um dich zu suchen, denn ich wollte dich an meinem künftigen Glück teilhaben lassen. Ich brauche dich auch, weil du lesen kannst und gewiß dafür sorgen wirst, daß ich in meinem Streben nach den Gütern dieser Welt meine Seele nicht allzu unbedachtsam gefährde. Mein Seelenheil wäre ein zu hoher Preis selbst für eine Grafenkrone. Das ist der einzige Grund, warum ich dir die fünf Gulden gebe.«
    Er streckte den Arm aus, und in der zunehmenden Dunkelheit war mir, als wüchse die Gestalt an meiner Seite, so daß mich eine seltsame Beklemmung erfaßte. Ich beugte mich hinüber und versuchte, seine Züge zu erkennen.
    »Bist du es, Andy, oder jemand anders?« stammelte ich; es lief mir kalt über den Rücken.
    Aber meine Furcht schwand, als ich Andys warme Faust in der meinen spürte und

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