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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Ostabhang des Hügels Stellung bezogen. Die beiden Männer, die mit Müntzers Botschaft zum Herzog geschickt worden waren, kehrten niedergeschlagen zurück und wagten nicht, ihre Kameraden anzusehen oder deren Fragen zu beantworten. Müntzer und den Führern meldeten sie, der Herzog habe versprochen, die Forderungen der Bauern später einmal zu erwägen, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie unverzüglich die Waffen niederlegten und auseinandergingen. Müntzer und seine engeren Mitarbeiter müßten ausgeliefert werden. Allen anderen sicherte der Herzog bei seiner Ehre Straflosigkeit an Leib und Leben zu.
    Ein lautes Gemurmel erhob sich; Männer steckten die Köpfe zusammen und zupften einander am Ärmel. Müntzer aber hieß sie zornig schweigen. Sie wären verrückt, wollten sie den Versprechungen dieses grausamen Menschen trauen, denn der Herr habe sein Herz verhärtet wie einst das des Pharao, und des Herzogs Heer würde dasselbe Schicksal erleiden wie das des Pharao, wenn die Bauern nur auf Gott vertrauten.
    Während der lauten Erörterung, die darauf folgte, formierten sich die feindlichen Kräfte zu einem Rad, dessen Nabe der »Hügel der Schlacht« bildete. Diese Bewegungen muteten zunächst planlos an, dann aber brachen auf der Nordseite unserer Verschanzungen verzweifelte Schreie los. Männer rannten auf und ab, fuchtelten mit den Armen und wiesen auf die bewaldeten Höhen. Wir erkletterten die Wagen und konnten nun deutlich viele schimmernde Lanzen nördlich unsres Stützpunktes erkennen. Der Rückzug war uns rasch und heimlich abgeschnitten worden, und ein Gespann nach dem anderen schleppte Geschütze auf die umliegenden Höhen.
    Da hub ein Schreien und Wehklagen an. Fäuste wurden geschüttelt, die Männer gerieten sich gegenseitig in die Haare und forderten Verhandlungen, solange noch Aussicht auf Pardon bestand. Viele riefen, man solle Müntzer ausliefern, unter der Bedingung, daß er seine vier Glaubensartikel in öffentlicher Disputation verteidigen dürfe. Es war nahe daran, daß Blut vergossen wurde, denn die Schar der Gläubigen Gottes umringte ihr Banner und rief Tod und Verderben auf jene Märtyrer des Satans herab, die, um ihre eigene Haut zu retten, den Boten Gottes verraten und im Stich lassen wollten.
    Während dieses Aufruhrs stand Müntzer auf einem Wagen unter dem Regenbogenbanner, das fahle Gesicht zum Himmel erhoben, beide Hände gegen die Brust gedrückt. Er trug seinen langen Pelzmantel, der ihm Würde und eine höhere Statur verlieh, und seine gelassene Heiterkeit ward ihm gewiß von oben geschenkt, denn als er die Arme hob, verstummte das ganze Lager, und selbst die Aufwiegler flüsterten: »Hört ihn, hört ihn!« Lautlose Stille herrschte, nur das Knattern des schweren Seidenbanners im Winde war zu hören. Über Müntzers abgezehrtem Gesicht leuchteten die fünf satten Farben des Regenbogens, und darunter war die heilige Inschrift zu lesen: VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM.
    Er sprach zuerst ruhig, und doch fuhr seine Stimme wie Gottes Hauch über die sechstausend emporgewandten Gesichter hin, und alle hörten und verstanden seine Worte.
    »Die Stunde der Prüfung ist da. Es ist die Stunde, da der Herr die Gottlosen wie Unkraut ausreißen und jeden vor die letzte Wahl stellen will. Wer da will, der gehe von hinnen, denn der Herr duldet keine Schwankenden und Feiglinge in seiner erwählten Schar. Denkt aber an das Los, das die erwartet, welche die Waffen niederlegen und schutzlos diesen Blutgierigen in die Hände fallen. Die übrigen, die bei mir ausharren, werden kämpfen wie Männer, und im Glorienschein des Sieges werden sie die Gründung des Königreichs Gottes auf Erden mitansehen. Er wird die Kanonenkugeln ablenken, und die Rüstung des Heiligen Geistes soll uns gegen Lanzen und Schwerter schützen.«
    Plötzlich huschte ein kindisches Lächeln über sein Gesicht, als er fortfuhr:
    »Ich will mich nicht weigern, zu verhandeln, wenn der Herzog seine tüchtigsten Gelehrten schickt, um mit mir über die Gerechtigkeit Gottes zu disputieren, und will zu den vier Artikeln stehen, deren hohen Wert ich in der Disputation erweisen will. Doch er will nicht. Gottes Gerechtigkeit ist die einzige, auf die ihr hier auf Erden hoffen dürft; aber wegen der verhärteten Herzen der Fürsten müßt ihr sie mit dem Schwert in der Hand erringen.«
    Er hob die Stimme und rief in einer Art Verzückung aus: »Doch worin besteht Gottes Gerechtigkeit? Ich habe sie in vier Artikeln verkündet, aber nun

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