Michael, der Finne
Verwirrung geraten sahen. Die Arkebusiere konnten sich nicht länger beherrschen und gaben eine knatternde Salve ab. Einige Reiter flogen aus dem Sattel, die übrigen wandten sich auf der Hinterhand und flohen so rasch, wie sie angegriffen hatten. Mehrere reiterlose Pferde galoppierten über das Feld.
»Sieg, Sieg!« heulten die Bauern, und die, Fliehenden von vorhin kehrten um, ergriffen ihre Waffen wieder, plünderten die Toten und töteten die Verwundeten. Aus unserem Stützpunkt ergossen sich die Männer in Scharen, um sich ihren Anteil an der Beute zu sichern, ohne auf den Befehl zum Stehenblieben zu hören, während andere brüllten, lachten und einander umarmten, bis der Schauplatz völlig einem Narrenhaus glich. Der Feind hätte unsere Stellung nun ungehindert nehmen können, denn nur die standhaftesten Kanoniere blieben auf ihren Plätzen und luden aufs neue.
Als endlich die Ordnung wiederhergestellt war, wischte sich Andy den Schweiß vom Gesicht und meinte zu mir: »Mit diesen Tölpeln könnte nicht einmal der Böse selbst eine Schlacht gewinnen!«
Doch schien er keineswegs unzufrieden; er ließ sich behaglich auf einer Lafette nieder, um das Laden unserer Geschütze und das säuberliche Aufschlichten der Kanonenkugeln zu überwachen.
»Hätte ich ein Jahr Zeit oder auch nur einen Monat«, fuhr er fort, »so könnte ich aus diesen Kerlen Kanoniere machen. Was haben sie denn die letzten drei Wochen getan? In dieser Zeit hätte ich vier Mörser nach der neuen Bauart und acht kleinere Geschütze gießen können – alle aus der Bronze, die sie aus den Burgen mitgeschleppt haben. Ja, und Räder, Wagen, Keile und alles Nötige gemacht, und Männer ausgebildet, die damit umgehen können. Dieser Krieg aber hat nicht Hand und Fuß, und sie brauchen nicht zu glauben, sie hätten einen Sieg errungen, wenn sie auch noch so laut kreischen.«
An diese Bemerkungen knüpfte er einen kurzen Vortrag über die Artillerie im neuzeitlichen Krieg; er schloß: »Mit zwanzig beweglichen Geschützen und ausgebildeten Kanonieren hätten wir keine Reiterei der Welt zu fürchten brauchen. Unsere Kanonen aber sind nur wenige, unsere Kanoniere Anfänger, und die übrigen Leute sind Tröpfe. Laß sie nur schreien. Gleich werden sie aus einem anderen Ton singen!«
Mich aber hatte der allgemeine Jubel angesteckt, und selbst Müntzer kroch aus einem Wagen hervor, wohin er geeilt war, um zu beten, und hieß uns alle Gott auf den Knien für den großen Sieg danken. Frohlockend strömten Bauern mit den Waffen, Kleidern und Rüstungen der Erschlagenen herbei und schienen ihre schmähliche Flucht ganz zu vergessen. Die Farben und Abzeichen auf diesen Trophäen waren die von Hessen; das zeigte uns, daß die Fürsten von zwei Seiten auf Frankenhausen zogen, um uns einzuschließen. Einer der Hauptleute tadelte die Männer streng, daß sie diese Leute erschlagen hatten, bevor man sie verhören konnte, weil sie wertvolle Aussagen hätten machen können.
Aus dieser Schwierigkeit half uns jedoch ein Bauer, der daheim einen Besuch abstatten und einen Vorrat an Lebensmitteln anlegen wollte. Er wohnte in der Umgebung der Stadt und machte sich erbötig, zu erkunden, wieviel Mann der Markgraf gegen Frankenhausen führe.
Dann wurde Kriegsrat gehalten; er fiel in jenem Frühlingssonnenschein, da alles Triumph war, recht freundlich und friedlich aus. Andy wurde aufgefordert, seinen Rat zu erteilen, ließ sich aber erst nach langer Überredung dazu herbei. Er berief sich auf den Marquis von Pescara und forderte, wir sollten auf irgendeiner schwer zugänglichen Erhebung Stellung beziehen, die den Verteidigern gleichwohl die Möglichkeit eines Rückzuges biete. Der kleine Hügel, darauf wir uns verschanzt hatten, sei zu niedrig, wir könnten nach Westen die Stadt nicht übersehen.
»Dort im Norden sehe ich eine steile Felsklippe«, fuhr er fort, »von der wir das Tal nach drei Seiten weithin überblicken könnten, und dahinter stehen dichte Wälder, darin wir sechstausend wie eine Nadel in einem Heuschober verschwinden könnten. Dorthin könnte uns die Reiterei nicht folgen. Ich sehe auch eine schmale Schlucht, die von der Stadt her den Felsen emporführt. Dort könnten wir eine Straße für die Wagen aushauen; sie wäre vor dem feindlichen Feuer geschützt. Ich schlage vor, daß wir sogleich dahin aufbrechen, oben auf dem Felsen eine Verschanzung errichten und unsere Geschütze eingraben, denn das hätte, wie ich selber weiß, der Marquis von
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