Michael, der Finne
sind.«
Müntzer bemühte sich, seine verstörten Leute aufzurichten, und die Schar der Gläubigen sang ein Schlachtlied, das sich mit dem Kanonendonner mengte, aber das Vernichtungswerk nahm seinen Lauf. Der ungefüge Erdwall wurde dem Boden gleichgemacht, die Verschanzung flog in wirbelnden Trümmern über die Haufen der Zermalmten. Schließlich verstummte der Gesang unter dem Todeslied des fliegenden Eisens, und nur ein Gedanke beherrschte alle: laufen!
Die Männer warfen ihre Waffen weg, schüttelten die Fäuste gegen Müntzer, stießen ihre Hauptleute zu Boden und traten sie. Müntzer sei ein falscher Prophet; sie wollten ihre Felder und ihr Vieh mit keinem teilen; sie forderten nur, was ihnen gehörte; das zu verteidigen, seien sie in den Krieg gezogen. Dem ersten Häuflein, das aus der Wagenburg die gedeckte Schlucht hinab floh, folgten kunterbunt die übrigen. Um rascher vorwärtszukommen, warfen sie ihre eigenen Wagen um, und wer fiel, wurde von den stärkeren Kameraden unbarmherzig niedergetrampelt.
Da erklangen von allen Hügeln ringsum die Trompeten. Die Reiterei im Tal rückte vor, und die erfrischten und ausgeruhten Pikeniere setzten zu einem furchtbaren Angriff an. Doch das Regenbogenbanner wehte immer noch zu unseren Häuptern, und Müntzer auf seinem Wagen rang die Hände inmitten der wenigen Gläubigen, die bei ihm ausharrten.
»Nun heißt es rasch denken«, sagte Andy. »Ich möchte lieber des Scharfrichters Becher trinken als wie ein Schwein unter diesem feigen Pöbel aufgespießt werden. Von nun an will ich nur im Dienste von Königen und Kaisern kämpfen. Die verstehen das Handwerk, und ein guter Feldherr bietet einem wenigstens die Möglichkeit, mit dem Gesicht zum Feind zu sterben.«
Er brüllte die Kanoniere an, die ihre Posten verlassen wollten, und meinte: »Sage rasch deine Gebete her, Michael, während ich mich umsehe. Wenn wir zwanzig gefaßte Burschen aufbringen können, haben wir vielleicht das Glück, durchzubrechen und uns in den Wäldern zu verstecken.«
Da sah ich das Regenbogenbanner sich neigen und zu Boden stürzen, wo die Erwählten es in wilder Flucht in den Schmutz traten. Müntzer war der erste; mit angstverzerrtem Gesicht stolperte er über seinen Pelzmantel. Bei diesem Anblick verlor auch ich den Kopf und floh, schneller als alle anderen, und meine Eile hat mir vielleicht das Leben gerettet. Denn in diesem Augenblick ertönte hinter mir eine furchtbare Explosion; die ganze Verschanzung war in eine schwarze Rauchwolke gehüllt. Ein Kanonier hatte wohl in der Eile seine brennende Lunte in ein offenes Pulverfaß geworfen. Ich gönnte mir jedoch nicht die Zeit, der Sache nachzugehen; der Krach beflügelte meine Schritte, und ich eilte weiter, rascher als zuvor.
Erst als ich den unteren Ausgang der Schlucht sicher erreicht hatte, hielt ich an, um Atem zu schöpfen, und da ward mir ein grauenerregender Anblick zuteil. Von der einen Seite preschten die grimmigen Reiter des Markgrafen heran; von der anderen, die steilen Hänge herab, stürzte des Herzogs Fußvolk und rief aus heiseren Kehlen die Namen Jesu und der Heiligen Jungfrau. Gemeinsam metzelten und hieben sie siegreich die gedrängte Masse der Flüchtenden nieder und traten ihr Blut in den Kot.
In diesem Augenblick vernahm ich fünf Kanonenschüsse vom Hügel herab. Als ich mich, starr vor Schrecken, nach einem Fluchtweg umsah, erblickte ich eine schwarze, rußige Gestalt, die gleichmütig von unserer Festung herabstieg. Ich hielt ihn für den leibhaftigen Gottseibeiuns und war keineswegs überrascht, denn hier war er wahrlich am Platz. Das Gespenst packte mich am Kragen und versetzte mir zwei brennende Ohrfeigen; dadurch kam ich wieder zur Besinnung und erkannte Andy. Er war vom Scheitel bis zur Sohle schwarz; Stirnhaare, Bart und Augenbrauen waren weggesengt. Ich fragte ihn, warum er mich geschlagen habe, wo ich doch des Herzogs Geleitbrief in der Tasche trug und mir nichts zustoßen könne.
Andy wies auf das blutige Gemetzel im Tal und meinte freundlich: »Laß dich nicht aufhalten! Dein Geleitbrief wird einen herrlichen Schild abgeben. Sie werden dich zuerst umbringen und dann den Brief lesen – das heißt, wenn sie lesen können. Ich freue mich, daß ich noch meine Kanonen abfeuerte, obwohl ich sie nicht mehr vernageln konnte, was ein rechter Kanonier tun sollte.«
Einige der Gläubigen hatten kehrtgemacht und liefen nun, die Hände vor den Augen, wieder den Pfad herauf.
Andy zog sein Schwert, vertrat
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