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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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ihnen den Weg und rief: »Heute, wackere Männer, muß jeder von uns seine letzte Wahl treffen, wie euer Meister Müntzer sagte. Wählt daher, ob ihr durch mein Schwert oder das des Feindes umkommen wollt. Wenn ihr klug seid, so hebt ein paar verstreute Waffen hier auf und folgt mir, denn ein treuer Soldat läßt seinen Führer nicht im Stich, und mir ist, als sähe ich den Pelzmantel dort unten im dichtesten Gewühl flattern. Frisch gewagt ist halb gewonnen, und ich will euch führen. Bruder Michael, nimm ein Schwert oder eine Pike auf und folge mir.«
    Die Männer wollten ihm nicht gehorchen und ihn mit Fäusten und Ellbogen beiseite stoßen. Da hob Andy seinen Bihänder mit beiden Händen und hieb den vordersten mit einem Schlag bis an die Hüfte entzwei, so daß sein Gehirn und sein Blut weit umherspritzten. Darauf besannen sich die übrigen eines besseren und bückten sich nach einer geeigneten Waffe unter den vielen weggeworfenen Keulen, Piken und Wolfsspießen, die umherlagen. Sie verfluchten ihn, schworen aber, ihm zu folgen.
    Andy schickte sich ohne weitere Worte an, den Hügel hinabzustürmen; über die Schulter rief er mir zu: »Sieh zu, daß die Nachhut aufschließt, Michael, und durchbohre jeden, der zu fliehen versucht.«
    So stürzten wir hinab, hinein in die Teufelsmühle, die Menschenfleisch mahlte. Wir stolperten über Leichenhaufen und sahen das Blut in Strömen die steilen, vom Regen ausgewaschenen Hänge hinunterfließen.
    Doch unsere kleine Schar wuchs, bis wir fast fünfzig waren, denn Andy griff all die schluchzenden armen Teufel auf, die, in Blut und Schmutz taumelnd und ausgleitend, zu entkommen versuchten. Er brauchte ihnen nur sein Schwert zu weisen, und sie gehorchten ihm, und wir, die wir ihm als erste gefolgt waren, faßten wieder Mut und nahmen die Neuankömmlinge in die Mitte, um sie an der Flucht zu hindern. Je steiler es bergab ging, um so rascher eilten wir dahin und drückten kräftig nach, um Andy die nötige Stoßkraft zu verleihen. Wir brachen so dichtgeschlossen und eilends durch, und Andy hieb Freund und Feind so unbedenklich vor sich nieder, daß wir durch diese Hölle vorwärtskamen; ja viele ließen unseren geschlossenen und von blanken Klingen starrenden Haufen gerne durch, um hinter uns den gegenseitigen Kampf wieder aufzunehmen.
    Gleich einer stacheligen Kugel rollten wir aus dem Hohlweg, und im Vorbeistürmen packte Andy Müntzer an seinem Pelzkragen, stellte ihn auf die Beine und schleuderte ihn hinter sich in unsere Mitte. Ich weiß kaum mehr, was weiter geschah. Plötzlich ragten die Stadtmauern vor uns auf. Wir zwängten uns durch den Torbogen und glitten auf der anderen Seite wieder heraus, wie ein Kork aus einem Flaschenhals. Kaum hatten wir Spielraum gewonnen, da löste sich unsere Schar auch schon wie durch Zauber auf, um in Dachkammern und Kellern Unterschlupf zu finden. Andy und ich blieben allein zurück und starrten ihnen nach. Ich hatte nicht einmal Zeit gefunden, unsere Gefallenen zu zählen; es waren aber wohl, wenn überhaupt welche, nur wenige, und ich hätte keine bessere Lehre erhalten können, wie ein umsichtiger Mensch selbst die verzweifeltste Lage meistern konnte.
    Andy, schwarz und blutbesprengt vom Scheitel bis zur Sohle, bot einen furchterregenden Anblick; ich aber umarmte ihn und weinte Freudentränen.
    »Wir sind gerettet!« rief ich. »Von nun an wollen wir überallhin zusammen reisen, du vorne und ich als Nachhut.«
    Andy aber versetzte: »Du umarmst mich zu früh, Bruder, denn die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Wir wollen zunächst unserer guten Bäckerei einen Besuch abstatten, denn es wird allgemach etwas laut, und die Schlägerei, die wir erlebten, kann bald in den Straßen weitergehen.«
    Daher eilten wir in unser Quartier; Andy schloß die Tür hinter uns und bemerkte: »Nun, wie steht’s, Michael? Was willst du nun für ein hübsches Gewand geben?«
    Ich sah an meinen Kleidern hinunter und erkannte, daß ich, beschmutzt und blutbefleckt, wie ich war, niemandem Vertrauen einflößen konnte, mochte ich meinen Geleitbrief auch noch so beschwörend hin und her schwenken. So sagte ich ihm mürrisch, ich wolle ihm einen Gulden und zwei Schillinge für das Gewand geben. Andy aber hatte für dieses Angebot nur taube Ohren, setzte sich auf den Backtrog, so daß ich nicht an das Bündel herankommen konnte, und fing an, sich den Ruß und das Blut aus dem Gesicht zu waschen; er fluchte, weil das Pulver ihm stellenweise die Haut versengt

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