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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Ich hatte mich gefragt, ob Müntzer entkommen sei, sah ihn aber nun, klein und gebeugt, die Hände auf dem Rücken gebunden. Sie hatten ihm den Pelzmantel abgenommen, der ihn am Vortag so groß hatte scheinen lassen; sein gelbes Gesicht war verschmutzt und blutbeschmiert. Neben ihm stand stolz der Söldner, der ihn in einem Keller gefunden hatte, wo er den Kranken spielte.
    Die Fürsten waren in der Tat prächtig anzusehen: sie trugen vollständige Rüstung, ihre Helme zierten wallende Federn, ihre Harnische waren mit Gold eingelegt. Herzog Georg war klein und untersetzt; in seinen breiten Zügen glaubte ich eine Familienähnlichkeit mit Herzog Johann und denselben bauernschlauen Zug zu erkennen. Er hatte sich ein schwarzes Tuch um den Helm gebunden, woraus ich schloß, daß Friedrich gestorben und Johann nun Kurfürst war – was meinem Geleitbrief erhöhten Wert verlieh. Der eine aber unter all den versammelten Adeligen, dem meine ganze Aufmerksamkeit galt und dem die anderen zu gehorchen schienen, war Markgraf Philipp von Hessen, der mit seinen Leuten den unglaublichen Nachtmarsch aus seinem eigenen Land nach Frankenhausen bewerkstelligt hatte. Sein Antlitz war hager und knochig; in seinen hellen, blauen Augen standen dieselbe Kälte und Unbarmherzigkeit, ob er nun Müntzer oder seine fürstlichen Gefährten anblickte. Ein hochmütiges Lächeln lag auf seinem Gesicht.
    Diese Adeligen setzten Müntzer mit Fragen über seine Lehre zu, und er antwortete ruhig und bescheiden, bis Ernst von Mansfeld seiner überdrüssig wurde und ihm mit dem eisernen Handschuh einen Schlag unter das Kinn versetzte. ’Das wunderte mich auch nicht, wenn ich an den Brief dachte, den Müntzer diesem Grausamen erst vor drei Tagen geschickt hatte. Thomas Müntzer spuckte ein wenig Blut, hob den Kopf und ließ sich zu dem Ausruf hinreißen, er wolle die Wahrheit seiner Lehre vor den größten Gelehrten Deutschlands, darunter Luther selbst, beweisen. Könnte man seine Überzeugung aus der Heiligen Schrift als irrig erweisen, so wolle er sich ihrem Spruch mit gebührender Ehrerbietung unterwerfen; bis dahin aber betrachte er sich auch ferner als Gottes eifrigen Diener und Boten.
    Die Fürsten brüllten vor Lachen, Herzog Georg aber bemerkte zornig, Luther sei ein ebenso finsterer Ketzer wie Müntzer. Der Herzog von Braunschweig bemerkte, Luther verdiene den Tod auf dem Scheiterhaufen für die Verwirrung, die er angerichtet habe. Nur der Markgraf von Hessen bestritt das; er sprach mit Wohlgefallen, wenn auch spöttisch, von dem Mann, auf dessen Rat sie nun handelten, und schlug vor, ihn zum Papst von Deutschland zu machen. Herzog Georg aber untersagte solche Reden vor dem Volk, und Müntzer hob aufs neue den Kopf und bat, man möge ihn an einer öffentlichen Disputation teilnehmen lassen.
    Herzog Georg legte sacht die Hand an Müntzers dünnen Hals, streichelte ihn mit den Fingerspitzen und meinte: »Warum soll dieser Hartnäckige nicht die Disputation haben, die er verlangt? Ich möchte Eure Hoheiten bitten, ihn mir zu überlassen. Ich will ihn sogleich nach Feldrungen bringen, wo kein ungebührlicher Lärm seine gewichtigen Ausführungen stören und er seine Thesen vor unparteiischen Zeugen und einem Scharfrichter von erprobter Redlichkeit verteidigen kann. Es soll weder an den Gegenständen noch an den Werkzeugen fehlen, die zu einer solchen Disputation vonnöten sind.«
    Der Vorschlag wurde lächelnd begrüßt; Herzog Georg selbst lachte, bis er schier erstickte.
    »Ich meine es gut mit ihm«, fuhr er fort, »und will ihm um seiner Seele willen einen würdigen Gegner stellen, der ihn von der Wirksamkeit der Lehre der Kirche überzeugt, ohne die es keine Erlösung gibt. Dies ist auch um der armen Teufel willen wünschenswert, die er irregeführt hat.«
    Müntzer starrte entsetzt auf die Fürsten; unermeßliche Angst verzerrte sein Gesicht. Er glich einem unglücklichen Dachs in der Falle. Kniend bat er, man solle ihn nicht seinem Todfeind ausliefern, sondern ihm eine ehrenvolle Disputation gestatten. Doch keine Stimme erhob sich zu seiner Verteidigung. Auch ich hütete mich wohl, vorzutreten und zu bezeugen, daß Müntzer in gewissem Sinne von oben inspiriert war, obwohl Gott seiner gespottet und ihn und mit ihm sechstausend Männer vernichtet hatte. Ich rührte keinen Finger zu seiner Verteidigung, obwohl ich das Schicksal, das seiner harrte, gar gut kannte. Statt dessen versteckte ich mich hinter Andy, und sie führten Müntzer ab, der

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