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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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hatte. Zum Glück hatten die Frauen mehrere Eimer Wasser in die Bäckerei gebracht, um ihren Teig damit zu kneten; so konnte auch ich mir Hände und Gesicht waschen und das Haar kämmen. Um Andy milder zu stimmen, bot ich ihm meinen Kamm an; er glaubte aber wohl, dessen nicht zu bedürfen; sein Haar war denn auch so stark versengt, daß es fast ebenso kläglich anzusehen war wie sein Gesicht. Ich bot ihm für die Kleider zwei, drei und schließlich fünf Gulden; er aber lächelte nur boshaft. Er warf seine verbrannten, blutigen Lumpen in eine Ecke und stand, nur mit seiner leinenen Unterhose bekleidet, auf, ergriff sein Schwert und meinte, er gehe nun, sich eine bessere Ausstattung zu beschaffen; inzwischen könne ich mir die Sache überlegen. Obwohl ich ihn bat, mich nicht allein zu lassen, sah ich ihn gleich darauf durch das Loch, das die Kanonenkugel gerissen hatte, sein Schwert in der Hand über den Marktplatz schreiten.
    Ich zögerte nicht länger, zog das Bündel hervor, entkleidete mich mit zitternden Händen, zog die feinen Hosen an und knöpfte das Samtwams zu. Die Krause und die Knöpfe waren, wie ich sah, allein mehr wert als zwei Gulden, und als ich das Samtbarett mit der schmucken Storchenfeder aufgesetzt hatte, konnte ich mich nicht länger bezähmen und bewunderte mein Spiegelbild im Eimer. Vorzüglich passende rote Schuhe vervollständigten meinen Aufzug, der mir gewiß das Leben retten würde, und ich beschloß, Andy zu bezahlen, was er verlangen mochte.
    Ich hatte schon lange und ungeduldig auf seine Rückkehr gewartet, als er endlich in Pluderhosen und dem gestreiften Lederkoller eines Söldners erschien. Helm und Harnisch trug er in der Hand, unter dem Arm eine Hammelkeule.
    »Aha, der Handel ist abgeschlossen«, bemerkte er. »Hilf mir in diesen Harnisch.«
    Ich schnallte ihm mit zitternden Fingern die Schulterriemen fest. Auf meine Frage, wie er zu der Ausrüstung gekommen sei, antwortete er mit einer schändlichen Geschichte, darin ein Söldner vorkam, den er erschlagen und ausgezogen, und eine Frau, die er dadurch vor der Vergewaltigung errettet habe. Die Frau war Andy anscheinend dankbar; sie forderte ihn auf, das Werk fortzusetzen, das der Söldner so verheißungsvoll begonnen hatte, und belohnte ihn mit zwei silbernen Bechern und dem Hammelfleisch.
    Ich hieß ihn seine schamlosen Gewalttaten für sich behalten und fragte nach meiner Schuldigkeit für die Kleider. Er erwiderte höflich mit einer Gegenfrage.
    »Wieviel Geld hast du noch?«
    Ich sagte ihm, ich hätte noch siebzehn Gulden und etwas Silber – ein karger Lohn für meinen Kampf um das himmlische Reich. Er müsse meine Armut bedenken.
    »Ganz recht«, pflichtete er mir bei. »Gib mir siebzehn Gulden. Das Silber kannst du behalten.«
    Nichts vermochte ihn zu rühren, weder Tränen noch Gebete, und als ich Hufschläge und Waffenlärm näher kommen hörte, mußte ich ihm die geforderte Summe auszahlen; mein einziger Trost war der Gedanke an die fünf Gulden, die ich in den Saum meines Hemdes eingenäht und ihm verheimlicht hatte.
    Das Morden ging die ganze Nacht weiter; es blieben wohl nur an die zweihundert Bauern am Leben. In unserer dunklen Stube versteckt, entrannen wir der Gefahr, und bei Tagesanbruch meinte Andy, die Stadt sei nun wieder so ruhig, daß wir uns zeigen dürften, versehen mit dem Geleitbrief, so daß es niemand einfallen konnte, wir hätten uns verborgen. Wir bürsteten uns das Mehl von den Kleidern und verließen offen das Haus; ich stolzierte dahin, wie es einem jungen Herrchen zukam, und Andy trabte, das Schwert am Gurt und eine Pike auf der Schulter, hinter mir her.
6
    An jenem Maimorgen bot das Städtchen Frankenhausen einen gar traurigen Anblick, obwohl ein Hahn in einer Scheune unsicher zu krähen versuchte, als wollte er sagen, wo Leben sei, da sei auch Hoffnung. Der Laut erstarb aber heiser und ungewiß. Zahllose Krähenschwärme wirbelten durch die Luft und verdunkelten die Sonne mit ihren schweren Flügeln. Bürger, die etwas zu fürchten oder zu verbergen hatten, saßen zitternd in Dachkammer und Keller, während andere ihre Unschuld auf dem Marktplatz spazieren trugen, wo die Fürsten eine Truppenschau abgehalten hatten.
    Wir kamen im rechten Augenblick. Keiner beachtete uns, denn aller Augen hingen an den Siegern, die vor der Kirche Gerechtigkeit walten ließen. Unweit davon lag in einer Lache geronnenen Blutes die verstümmelte Leiche eines Priesters, den Frauen während der Nacht getötet hatten.

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