Michael, der Finne
weinte und schrie und sich vergeblich nach einem Beistand umsah, in derselben Stadt, darin er erst am Vortag als Bote Gottes begrüßt worden war.
Ich wünsche nicht, länger bei den unerfreulichen Ereignissen zu Frankenhausen zu verweilen, und will nur erwähnen, daß ich mich bei der ersten Gelegenheit Markgraf Philipp näherte, ihm meinen Geleitbrief vorwies und ihn von der löblichen Aufgabe unterrichtete, die ich im Bauernheer erfüllt hätte, indem ich dessen Führer zu Verhandlungen und zur Vermeidung von Blutvergießen zu bewegen suchte. Zwar sei meine Sendung mißglückt, doch wagte ich, um seine Gunst und um Erlaubnis zu bitten, seine Truppen nach Mühlhausen zu begleiten.
Diesen Schritt mußte ich trotz schwerster Bedenken unternehmen, denn jeden Augenblick hätte mich ein Bürger als einen von Müntzers schlimmsten Fanatikern verraten können. Ich tat klug daran, mich an den Markgrafen zu wenden, obwohl Herzog Georg der Landesherr war, weil ich dadurch Philipps Eitelkeit schmeichelte. Er meinte gnädig, ich hätte meine Sache gut gemacht, da das Zögern der Bauern den Truppen Zeit gegeben hatte, den Hügel einzuschließen, unseren Rückweg abzuschneiden und so das Land von weiteren sechstausend Banditen zu befreien. Nicht einmal Fuggers Geld hätte ausgereicht, genug Truppen zu bezahlen, um jenen Wald zu säubern.
In diesem Ton sprach er einige Zeit, und da er sich offenbar gerne reden hörte, wagte ich ihn zu fragen, was Fuggers Geld mit der Sache zu tun habe.
Er sah mich erstaunt an. »Wie hätte ich sonst sechzehnhundert Reiter und ebensoviel Fußvolk halten können? Ohne des reichen Jakob Geld wären die deutschen Fürsten hilflos gewesen, und Bettler wären heute die Herren. Aber die Bauern schädigen Jakobs Handel; daher unterstützt er unsere Feldzüge mit seinem Geld. Ohne Fuggers zwölftausend Gulden hätte der Truchseß keinen einzigen Lanzenreiter anwerben können. Fugger will die Summe von Erzherzog Ferdinand zur rechten Zeit zurückfordern, denn mit Fuggers Geld kaufte Ferdinand das Herzogtum Württemberg, daraus Jakob den Herzog Ulrich wegen seiner unbezahlten Schulden vertrieben hatte. Der reiche Jakob weiß schon, wie er sein Geld wieder zurückbekommt.«
Ich stand mit ehrfurchtsvoll gesenktem Blick vor ihm und strich mir den weichen langen Bart, der mir während des Aufstands gewachsen war und den ich nicht scheren wollte, da ich mit meinem neuen Aussehen sehr zufrieden war.
Meine Neugier überwand meine Furcht, und ich fragte: »So sind also alle diese armen Teufel einfach Fugger zu Gefallen hingemordet worden, und nicht, weil sie Ketzer waren?«
»Die Frage ist der Erwägung wert«, bemerkte der Markgraf. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich dazu, Martin Luther als meinen Kaplan unter meinen Schutz zu nehmen. Irgendwie muß ich meine Schulden zahlen, und in meinen Ländern gibt es viele reiche Klöster, die, wenn ich die evangelische Lehre annehme, mir gehören. Es schickt sich nicht für einen Fürsten und Markgrafen, Jakobs Aufträge auszuführen – denn die einzige Bedingung, unter der er meine Leute besolden wollte, war, daß ich schnurstracks nach Frankenhausen zöge. Er besitzt zwischen Leipzig und Erfurt große Kupferschmelzwerke, wohin er das Erz aus seinen ungarischen Bergwerken bringt. In diesem Erz ist Silber, das er, wenn es in Ungarn gewonnen würde, nicht von dort ausführen dürfte. Deshalb will er es lieber hier schmelzen. Ihr werdet daher verstehen, junger Mann, daß Jakob vor Angst fieberte und mir seinen Verwalter sandte, um mich zu einem Eilmarsch aufzufordern, als er hörte, daß sich sechstausend aufständische Bauern in der Nähe seiner kostbaren Schmelzöfen versammelt hatten. Doch wenn Ihr etwa meint, er ließe mir dafür einen Teil meiner Schulden nach, so irrt Ihr gewaltig.«
»Soll selbst das heilige Wort Gottes um lumpiges Kupfer in den Schmutz getreten werden?« rief ich. Zum erstenmal ruhten seine blaßblauen Augen forschend auf mir, als er meinte: »Ich hoffe um Euretwillen, Ihr seid kein Anhänger Müntzers!«
Er beugte sich vor und las von dem Brief, den ich immer noch in Händen hielt, meinen Namen ab.
»Michael Pelzfuß de Finlandia, ich will Euch einen Rat geben, den ich mir jetzt selbst zu Herzen nehme. In Glaubensfragen muß sich ein Mensch nach seinem Vorteil richten. Ihr gewinnt nichts, wenn Ihr Müntzers Lehren verteidigt. Ganz im Gegenteil.«
Dann entließ er mich, und ich machte mich auf die Suche nach Andy. Wir
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