Michael, der Finne
waren nicht drei Millionen Dukaten als Lösegeld ausgesetzt worden? – ganz zu schweigen von der Ehre und der Stellung, die des Königs Gunst ihm verleihen würde.
Der Plan war, kurz gesagt, der: Jeden Abend betrat ein Neger das Gemach, darin der König gefangensaß, um Feuer zu machen, da nun kaltes Wetter eintrat; als Neger konnte er unbemerkt kommen und gehen. Seine Majestät brauchte nur sein Gesicht mit Ruß zu schwärzen und die wohlbekannte Tracht des Schwarzen anzulegen, um den Palast nach Einbruch der Dunkelheit jederzeit verlassen zu können. Der Neger war bestochen worden; die Flucht würde erst am nächsten Morgen entdeckt werden. Frische Pferde erwarteten den Flüchtling unterwegs an geeigneten Orten, und die ganze spanische Kavallerie konnte Frankreichs besten Reiter nicht mehr einholen, wenn er ihnen den Vorsprung einer Nacht voraushatte.
Andy warf ein: »Wenn alles bereit ist – der Neger bestochen und die Pferde bestellt –, wozu benötigt Ihr dann unsere Hilfe?«
Cavriano setzte uns auseinander, daß der König viele kostbare Tage über einem letzten Versuch hatte verstreichen lassen, vom Kaiser mildere Friedensbedingungen zu erwirken. In dieser Zeit hätten die Verschwörer schwere Verluste erlitten. Einer sei im Duell gefallen, ein anderer ins Schuldgefängnis gesteckt worden, ein dritter habe sich das Bein gebrochen, als man ihn aus einem Freudenhaus an die Luft setzte, und ein vierter habe zuviel geredet und mußte mit dem Dolch zum Schweigen gebracht werden. Es mußte daher jemand nochmals den Fluchtweg abreiten und sich vergewissern, daß alle Pferde noch an den vereinbarten Orten ständen; während für die Flucht selbst der Hauptmann einen möglichst starken und tapferen Mann an seiner Seite brauche, falls ein Unglück Gewaltanwendung erfordere.
Wir kamen überein, daß ich an die Grenze reiten, Seine Majestät am Flußufer gegenüber von Bayonne erwarten und ihn bei seiner Ankunft ungesäumt übersetzen sollte. Andy sollte Seine Majestät vom Alkazar an den Ort geleiten, wo das erste Pferd wartete. Hauptmann Cavriano gab mir eine Landkarte, worauf die Relaisstationen verzeichnet waren; dazu die erforderlichen Losungsworte sowie zwanzig Dukaten – darüber ich genaue Rechnung zu legen hätte – für den Fall, daß einige seiner Leute das Warten sattbekommen und ihre Pferde in Wein umgesetzt hätten. Träfe keine Nachricht von mir ein, so sollte der Ritt in der nächsten Vollmondnacht beginnen.
Tags darauf nahmen wir Abschied von Sieur de Lannoy, indem wir ihm erklärten, wir wollten endlich unsere Wallfahrt nach Santa Maria de Compostela fortsetzen; er sagte uns sichtlich erleichtert Lebewohl.
Voll trüber Ahnungen ritt ich von Station zu Station, in beständiger Furcht vor Räubern und Wölfen. Doch das Glück war mir günstig, und ich erreichte wohlbehalten die Grenze für die dringendsten Erfordernisse ausgelegt. Tagsüber blieb ich am französischen Ufer; nachts ruderte ich in dem festen Boot, das ich gemietet hatte, hinüber und blieb dort, im Schilf versteckt, liegen. Der Mond war zwei Tage vor meiner Ankunft voll geworden, da ich meinem Hund zuliebe gemächlich geritten war; ich erwartete nun den König binnen drei oder vier Tagen.
Doch ach, auch dies Unternehmen stand unter keinem guten Stern. Zwei Tage darauf, als ich am französischen Ufer stand, sah ich am anderen Ufer etwa zehn Männer zur Fähre hinabreiten; sie schrien und fluchten und trieben eine Schar Pferde vor sich her. Sie schwangen die Waffen, schlugen die armen Teufel von Zöllnern in die Flucht und zwangen den Fergen, sie überzusetzen; die Pferde zogen sie hinter sich her. Als das Boot sich dem französischen Ufer näherte, erkannte ich Andy, eilte auf ihn zu und fragte, was in Gottes Namen geschehen und wo der König sei. Er versetzte kurz, seines Wissens sitze König Franz noch in seinem Turm, wenn man ihn nicht an einen sichereren Ort gebracht habe.
Erst nachdem wir die Pferde in sichere Entfernung von der Grenze gebracht und in Bayonne eingeritten waren, erzählte er mir, Hauptmann Cavriano sei verhaftet und die ganze Verschwörung durch die Anmaßung und Empfindlichkeit der Franzosen aufgeflogen. Ein gewisser Montmorency, ein Edler aus dem Gefolge des Königs, hatte Seiner Majestät Kammerdiener eine Ohrfeige verabreicht, weil der ihn unversehens mit dem Ellbogen gestoßen hatte. Der Kammerdiener war tief verletzt, und da seine niedere Abkunft ihm verbot, im Zweikampf Genugtuung zu fordern, hatte er
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