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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Rache genommen, indem er dem Kaiser die ganze Verschwörung enthüllte.
    Zu Andys Glück wollte der Kaiser nicht an einen so ehrlosen Plan glauben, und Andy nahm, während der Hauptmann Cavriano verhört wurde, in aller Stille sein Pferd und machte sich auf den Weg zur Grenze. Er wußte nicht, wo die frischen Pferde warten sollten, daher hielt er in jedem Dorf, wo er verdächtige Reiter und Rosse sah, und nahm sie mit. Auf diese Weise rettete er zehn von den vierzehn Ablösungen. Es war wohl nicht nötig, meinte er, sie in des Kaisers Hände fallen zu lassen.
    Als die Flüchtigen wieder zu Atem gekommen waren und gegessen hatten, brach unter ihnen ein so heftiger Streit um die Pferde aus, daß wir uns in ein nahes Dorf zurückziehen mußten, um die Sache zu schlichten. Schließlich erhielt jeder Mann zwei Pferde, bis auf Andy, der vier bekam.
    Ich kam bei der Sache glimpflich weg, hatte ich doch siebzehn Dukaten von meinem Reisegeld und die drei Dukaten Handgeld gerettet. Als ich meine Pferde verkauft hatte – das eine zu Bayonne, das andere zu Lyon –, besaß ich zusammen achtundvierzig französische Golddukaten,
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    Denn Lyon war unser Reiseziel; wir erreichten es auf kürzestem Weg und kamen gerade zurecht, die Geburt unseres Herrn mitzu feiern. Die Königinmutter und der ganze französische Hof residierten immer noch hier; die Gasthäuser waren überfüllt. Wir aber verkauften unsere Pferde zu angemessenen Preisen, wie erwähnt, besuchten die Christmette, ließen uns Speise und Trank munden und überlegten sodann, ob Madame Geneviève schon aus Venedig in Gesellschaft eines gewissen Kaspar Rotbart angekommen sein konnte. Wir fragten in vielen Gasthäusern nach ihnen, aber Lyon ist eine große Stadt, und wir hätten sie wohl nie gefunden, wenn nicht Andy es sich nach zwei Tagen vergeblichen Suchens in den Kopf gesetzt hätte, ein Bordell aufzusuchen und die Namen der besten und berühmtesten Kurtisanen zu erfragen.
    Dies hielt ich für höchst unpassend und eine Verletzung von Madame Genevièves Ehre. Doch schon im ersten Haus erzählte man uns von einem unverschämten, habgierigen Weib, das kürzlich aus Venedig angekommen und sich im Wettbewerb mit den ältesten und ehrbarsten Häusern der Stadt in Lyon niedergelassen hatte. Sie hatte orientalische Mädchen mitgebracht und ein Haus an der Stadtmauer gemietet. Alle Beschwerden waren fruchtlos geblieben, da sie die vornehmsten Herren des Hofes zu ihren Kunden zählte und der Kirche reiche Spenden zukommen ließ. Die biedere Matrone, mit der wir sprachen, warnte uns vor dem Ort und erschreckte uns mit Geschichten von schändlichen Krankheiten und orientalischen Lastern, denen ein Christenmensch fernbleiben müsse, wenn er seine Seele retten wolle.
    Wir fanden ohne Schwierigkeit das geheimnisvolle, von Mauern umgebene Gebäude; auf unser Klopfen öffnete uns ein Neger in Rot und Gold. Nach einem flüchtigen Blick auf unsere Kleider verweigerte er uns aber den Einlaß und wollte uns die Tür vor der Nase zuschlagen. Andy freilich war stärker als er, versetzte dem unverschämten Biest eins auf die Nase, und wir traten ein. Aufgeweckt durch den Lärm, kam Madame Geneviève uns selbst entgegen, lieblicher und herrlicher gekleidet denn je. Sie zeigte sich aber über unser Erscheinen nicht sonderlich erfreut und schalt uns, daß wir ihre Mittagsruhe gestört und ihren Neger geschlagen hätten. Immerhin lud sie uns zu Wein und Obst in ihr Gemach, das mit weichen Teppichen und venezianischen Spiegeln geschmückt war.
    »Ich hätte nie gedacht, daß ihr mir so übel mitspielen und mich bei jenem Brauer zurücklassen würdet!« klagte sie. »Ich vertraute darauf, daß ihr mich von ihm befreien würdet. Als Michaels Brief kam, vergoß ich bittere Tränen und beschloß, nie wieder einem Mann zu trauen. Nachdem der Brauer sich Haar und Bart gefärbt und seinen Namen gewechselt hatte, wurde er immer verliebter und lästiger und drang in mich, ihn nach Ungarn zu begleiten. Er machte mir das Leben zur Last. Und dann mußte ich an meine Zukunft denken, denn obgleich ich immer noch eine Zierde meines Hauses bin, bin ich doch nicht mehr so jung wie früher. So beschloß ich denn, ich würde, sobald ich den undankbaren Brauer los würde, mein lockeres Leben aufgeben und einen guten Grund für meine Zukunft legen.«
    Madame Geneviève seufzte in der Erinnerung an ihre Nöte und fuhr fort: »Zum Glück mußte er endlich jene elenden Wechsel einlösen, um die Reise nach Ungarn

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