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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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an sich und spielte so reizend mit meinem Hund, daß mir bei ihrem Anblick das Herz im Leibe lachte und ich ihr einen glänzenden Golddukaten gab, damit sie ihren Bruder nicht zu beneiden brauchte, wenn Andy ihm den Esel verehrte, der gehen konnte und den er treulich von Nürnberg her mitgebracht hatte.
    So verstand es Madame Geneviève, mich durch ihre Kinder an sich zu fesseln; auch konnte ich sie nicht gar zu streng tadeln, daß sie die Zukunft ihrer Kinder durch ihre Arbeit in dem einzigen Beruf, dessen sie fähig war, zu sichern strebte.
9
    Lyon war eine reiche Stadt. Speise und Trank schmeckten dort gar wohl, und die Zeit verging wie im Flug. Wir hatten kein Ziel, und ein Ort dünkte uns so gut wie der andere.
    Eines Tages erzählte uns Madama Geneviève zufällig in ihrer unverblümten Art von einem ihrer Klienten – einem unglücklichen Edelmann vom Hof –, der in geheimer Mission nach Konstantinopel, oder, wie die Türken es heidnischerweise nannten, Stambul, gehen sollte. Er war so niedergeschlagen, daß all ihre Künste ihn nicht aufheitern konnten, denn sein Vorgänger war von den wilden Bergbewohnern Dalmatiens ermordet worden, als er von Ragusa auf dem Landweg nach Konstantinopel unterwegs war,
    »Was in Gottes Namen hat der Hof Seiner Allerchristlichsten Majestät mit dem Todfeind der Christenheit zu tun?« fragte ich, baß erstaunt.
    »Soviel ich davon verstehe«, bemerkte Madame Geneviève unschuldig, »lädt die Königin im Auftrag von König Franz den Sultan ein, sich mit Frankreich gegen den Kaiser zu verbünden. Seit der Niederlage Frankreichs sind Geheimverhandlungen im Gange, und der Sultan hat ihnen seine Hilfe zugesagt.«
    Auf etwas so Abscheuliches, so Verwerfliches wäre ich nie verfallen. Ich fühlte mich in jenem parfümgeschwängerten Gemach beengt und eingesperrt; mir war, als würde alles, was noch an Ehre und Anstand in mir lebte, langsam erstickt. Ohne ein Wort des Abschieds stürzte ich aus dem Haus und wanderte in großer Gemütsbewegung bis in den späten Abend hinein durch die Straßen.
    An jenem Abend sagte ich zu Andy: »Wir wollen beim Hahnenschrei aus den Federn und Frankreich so rasch wie möglich verlassen, denn dieses Land muß wahrhaftig Gottes Fluch treffen.«
    Andy erwiderte: »Endlich redest du einmal vernünftig, Michael. Die Vorsehung hat dieses Land mit einem Wein gesegnet, der für einen armen Teufel wie mich zu vorzüglich ist, und mein Geld ist bald zu Ende. Ich sehne mich nach Kanonen und einem ehrlichen Krieg, der einem Mann Ruhm, Reichtum und selbst Ehre eintragen kann, wenn er auf die Seite des Siegers tritt.«
    So gürteten wir aufs neue unsere Lenden und verließen jene reiche, entartete Stadt. Am Tor schüttelte ich den Staub von den Füßen, weil ich für diesen Ort das Schicksal Sodoms und Gomorrhas befürchtete, das ihn gewiß befallen mußte, wenn die Schale des Zornes Gottes voll war. Als wir ein Weilchen gewandert waren, überquerten wir den mächtigen Rhein und gelangten in die schöne Stadt Basel, auf deren steilen Hängen die neuen Bauten der Universität wie Schwalbennester klebten. Dahinter ragten die hohen Domtürme empor. Wir stiegen bei den Drei Königen, unweit der Fähre, ab. Ich hatte diese freie, rege Stadt bald so liebgewonnen, daß ich beschloß, die Universität zu beziehen und dort zu studieren, solange mein Geld reichte.
    In Basel gab es viele Druckereien, und in den Buchläden waren Gelehrte anzutreffen. Der große Erasmus selbst fand hier Zuflucht, nachdem eifernde Studenten seinen Lehrstuhl zu Löwen wegen angeblicher Häresie umgestürzt hatten. Die Buchhändler erlaubten sogar armen Studenten, die neuen Bände zu durchfliegen; und nirgends trafen die Nachrichten aus aller Welt rascher ein als hier, denn diese freie Stadt der Eidgenossenschaft lag am Schnittpunkt der Handelsstraßen zwischen Frankreich, den deutschen Fürstentümern und Italien.
    In diesem bewegten Frühling nahm König Franz, nachdem er den Kaiser unerbittlich und seine eigenen Bemühungen vergeblich gefunden hatte, die Friedensbedingungen an. Er stimmte allen Forderungen des Kaisers zu und ließ seine beiden Söhne als Geiseln und Unterpfand seiner Redlichkeit zurück. Und es überraschte mich keineswegs, zu hören, daß er, sobald er die Freiheit wiedererlangt hatte und auf französischen Boden zurückgekehrt war, alle Versprechen brach und erklärte, sie seien ihm unter Zwang abverlangt worden und daher wertlos. Er schlug seine Residenz gleich zu Cognac

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