Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
schützte, teilten sie ihr Mahl mit mir. Ich war über seine Kameradschaft nur zu froh, denn noch am selben Abend brach offene Meuterei aus, und die deutschen Pikeniere mußten in voller Rüstung Gewalthaufen bilden, um sich der wütenden Spanier zu erwehren. Diese Männer hatten ihre eigenen Offiziere überfallen und gedroht, sie würden sich ihren Sold aus Bourbons Rücken schneiden; der Herzog mußte in Frundsbergs Zelt Zuflucht suchen.
    Als jedoch die Führer der Spanier am nächsten Morgen die Ordnung wieder einigermaßen hergestellt hatten, fingen die Deutschen ihrerseits an, sich selbst zu bemitleiden und einander ihre zerrissenen Schuhe und zerlumpten Kleider zu zeigen. Gegen Mittag rotteten sie sich um Frundsbergs Zelt zusammen und schrien, sie würden betrogen und wollten unverzüglich entlohnt werden.
    Ich stand in diesen lärmenden Haufen eingekeilt, als Frundsberg heraustrat; zum ersten und einzigen Mal sah ich nun den großen Heerführer, dessen bloßer Name Menschen erzittern ließ. Der Anblick seiner Gestalt, die an einen gereizten Stier erinnerte, und seines kernigen Gesichts ließ die Männer einen Augenblick verstummen; einige jubelten ihm sogar zu. Dann aber brach der Aufschrei von neuem los. Die Pikeniere warfen ihre zerfetzten Schuhe in den Schmutz zu seinen Füßen, zerrissen ihre Hemden, um ihre Rippen zu zeigen, und heischten ihr Geld.
    Frundsberg war an Meuterei nicht gewöhnt; sein breites Gesicht schwoll und lief vor Wut purpurrot an. Er brüllte so unmenschlich, daß ihm die Stimme versagte. Er erinnerte sie an die Kriegsartikel, darauf sie Gehorsam geschworen hatten, und drohte, sie alle einzeln Spießruten laufen zu lassen. Dies aber erbitterte sie noch mehr. Sie heulten, es stehe Frundsberg schlecht an, sie an jene Artikel zu erinnern, die ihnen regelmäßigen Sold, spätestens um einen Monat verzögert, zusicherten. Und plötzlich fällten die Männer, die Frundsberg zunächst standen, die Piken, bis seine mächtige Gestalt von glänzenden Spitzen eingekreist war – kein angenehmes Schauspiel für einen Heerführer, der seine Würde hoch anschlug.
    So war es kein Wunder, daß er schier in Raserei geriet! Seine Augen füllten sich mit Tränen, er verlor die Sprache, fuchtelte blindlings umher, taumelte dann und fiel der Länge nach hin, obwohl kein einziger ihn auch nur angetastet hatte. Das ernüchterte die Meuterer gewaltig; sie verstummten und schlichen fort, während sich plötzlich Grabesstille über das Lager senkte. Zum Glück hatte ich meine Lanzette bei mir und konnte ihm innen am Ellbogen etwas Blut abzapfen. Es hatte ihn aber der Schlag gerührt; er konnte sich weder bewegen noch sprechen, nur hilflos aus blutunterlaufenen Augen vor sich hinstieren. Es war ein erbarmungswürdiger Anblick. Später brachte man ihn nach Ferrara zurück, wo er die nötige Pflege erhalten konnte; allein er erholte sich nie mehr ganz von den Folgen dieses Anfalles.
    Nun war der einzige Führer, der die Disziplin unter den Pikenieren aufrechterhalten konnte, dahin. Seine beiden Obristen übernahmen den Befehl, und der Herzog von Ferrara, der erkannte, daß Gefahr im Verzug war, steuerte noch einmal fünfzehntausend Dukaten bei. So erhielten die Pikeniere jeder einen Dukaten und brachten keine weiteren Beschwerden mehr vor, entsetzt über das Unheil, das sie heraufbeschworen hatten.
    Nach diesem Vorfall beschied der Herzog von Bourbon seine Offiziere zu einer Besprechung zu sich, wobei er ihnen auftrug, ihre Leute mit dem Hinweis auf den Reichtum aufzumuntern, der ihrer zu Florenz und Rom harrte. Im Lager wurde die Ordnung wieder einigermaßen hergestellt, und die Truppen waren bereit, den Marsch fortzusetzen. Da traf, um das Unheil voll zu machen, aus Rom der kaiserliche Oberstallmeister mit der Nachricht ein, der Vizekönig von Neapel, Sieur de Lannoy, habe im Auftrag des Kaisers mit dem Papst Frieden geschlossen. Ich weiß nicht mehr, wie viele Friedensverträge in jenem Winter unterzeichnet worden waren, aber der Papst hatte sein Wort mehr als einmal gebrochen. Nun aber hatte er, gemäß den Bedingungen des Vertrages, sechzigtausend Dukaten gezahlt, und der Oberstallmeister hatte das Geld zur Entlohnung der Truppen mitgebracht, die sodann entlassen werden sollten.
    Schon der erste Aufruhr war heftig genug gewesen, allein ich habe nie einen ärgeren Tumult erlebt als den, der nun losbrach, als diese Nachricht im Lager bekannt wurde. Deutsche und Spanier vergaßen ihre Händel angesichts der

Weitere Kostenlose Bücher