Michael, der Finne
gemeinsamen Gefahr, der erhofften Beute beraubt zu werden. Sie begrüßten einander als Waffenbrüder und bildeten einen gemeinsamen Soldatenrat. Dieser Rat wartete dem Herzog von Bourbon auf, fragte ihn nach seinen Absichten und erklärte, das Heer werde jedenfalls den Feldzug fortsetzen, sei es nun unter den alten oder unter neuen, selbstgewählten Führern.
Der Herzog empfing die Abordnung freundlich und meinte, wenn das Heer sich zur Fortsetzung des Feldzuges entschlossen habe, wolle er es mit Gottes Hilfe nach Rom führen, selbst auf die Gefahr hin, sich die Ungnade des Kaisers zuzuziehen. Seine Majestät habe ihn nicht nach Verdienst belohnt, und wenn der französische König den Friedensvertrag breche, würde er, der Herzog, aller Vergünstigungen, die der Kaiser für ihn gefordert habe, verlustig gehen. Überdies hasse er keinen grimmiger als den Sieur de Lannoy, des Kaisers Günstling, und sehe keinen Grund, einen Frieden zu respektieren, den jener Herr zu schließen geruht habe. Ja, er glaube, der kaiserlichen Sache besser zu dienen, wenn er sich nicht daran kehre, denn der Papst breche nur zu rasch sein Wort, wo er einen Vorteil für sich erhoffe. Der Herzog von Ferrara lieferte uns den nötigen Proviant, Wagen, Pulver und ein paar leichte Stücke, um uns loszuwerden. Zu Ende des Monats März brachen wir das Lager ab und setzten unseren Marsch fort. Einmal unterwegs, schwoll unser Heer gleich einer Lawine an, weil sowohl politische Flüchtlinge wie auch Wegelagerer und alle möglichen Verbrecher Beute witterten und zu uns stießen.
Auf dem folgenden Marsch aber sollten viele noch hilflos in Schneewehen versinken und von Wölfen verschlungen werden; viele andere von Bauern und Hirten, welche die Gewalttaten der Soldaten zur Verzweiflung getrieben hatten, erschlagen werden. Um die toskanischen Täler, die von feindlichen Truppen besetzt waren, zu umgehen, führte uns der Herzog von Bourbon über die rauhesten Apeninnenpässe, das Rückgrat der italienischen Halbinsel. Der Frühling hatte spät begonnen. In den Bergen schneite es; unsere Vorräte gingen zur Neige, und zu stehlen gab es nichts. War es da ein Wunder, daß der eine oder andere an seine Mutter und an die Heimat dachte und lieber umgekehrt wäre, wenn er gekonnt hätte? Doch eben, als Brot und Mehl aufgezehrt waren, konnte der Herzog auf ein reiches, fruchtbares Land hinweisen, das sich zu unseren Füßen in der Ferne verlor und wo der mächtige Arno seine gelbgrünen Fluten durch üppige Täler wälzte. Der Reichtum von Florenz und Rom war in Sicht, und wir glichen, da wir nun die Bergeshänge hinabhasteten, mehr einer zerlumpten, grimmigen Räuberbande denn einem regulären Heer.
So erreichten wir das Arnotal. Nun aber merkten die Florentiner die herannahende Gefahr, und der Herzog von Urbino unterbrach seine Siesta und marschierte uns durch die Toskana entgegen. Ich weiß nicht, ob er wirklich Florenz verteidigen wollte; aber sein bloßes Vorrücken machte Bourbon vorsichtig, und er führte uns in höchst mühsamen, beschwerlichen Gewaltmärschen geradewegs gegen Rom. Der Papst hatte sein Heer entlassen, und der Herzog hoffte dort einzutreffen, bevor dieser zur Verteidigung rüsten konnte. Wir schleppten uns weiter, jenem leuchtenden Wunschbild zu, vergaßen Hunger und Entbehrungen und ließen selbst unsere Geschütze im Stich. Wir trieben Kameraden und Packtiere zur Eile, und in unseren Hirnen lebte nur ein Gedanke: Rom, Rom!
Jener fieberhaft gehetzten Tage erinnere ich mich nur mehr dunkel; ich weiß aber noch, wie mir einmal, als ich, an den Pack meines Esels gelehnt, dahinstolperte, plötzlich war, als verwandelten sich jene ausgemergelten, hageren dahinhastenden Vogelscheuchen vor meinen Augen in ein Rudel Wölfe. Eine Woche lang zogen wir in Gewaltmärschen dahin; dann stand unser erschöpftes Heer vor den Toren Roms. Wir waren inzwischen von zehntausend auf dreißigtausend Mann angewachsen, denn die entlassenen päpstlichen Truppen stießen gern zu uns, als wir uns der Stadt näherten.
Nachts klangen während der kurzen Ruhestunden Hammerschläge an den Lagerfeuern, wo unsere Leute Sturmleitern zimmerten. An uns vorbei strömten die unglücklichen Flüchtlinge mit ihren langsamen, polternden Karren und den zum Bersten gefüllten Bündeln. Am fünften Mai erstieg die kaiserliche Armee in hellen Haufen den Hügel Mario, und ich erblickte die stolzen Mauern, Tore, Türme und Dächer der Heiligen Stadt, von der sinkenden Sonne
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