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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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vergoldet. Ich blickte über die Stadt hin, in die seit tausend Jahren die Christenheit gläubige und reuevolle Wallfahrten unternommen hatte und deren Kirchen, Altäre und Schreine mit Gold aus allen Ländern der Erde geschmückt waren.
    Uns alle überkam wohl dieselbe Ehrfurcht, als wir nun hielten, um in atemlosen Schweigen das Traumbild anzustaunen, das nun plötzlich Wirklichkeit geworden war. Ich zweifle, ob Rom jemals in Pilgeraugen so herrlich, so überwältigend in seiner Pracht erschienen war, wie nun, da es in der Sonne wie ein goldenes Schatzkästlein leuchtete – nun, da wir gekommen waren, es aufzubrechen und eine versunkene Zeit der Finsternis anheimzugeben.
    Der Herzog von Bourbon hatte sein Pferd auf der Höhe des Hügels angehalten; seine Rüstung blitzte in der Sonne. Nach kurzem Schweigen brach aus zahllosen Kehlen ein Stöhnen und ein Aufschrei, und der Herzog rief mit flammenden Augen Befehle für den Angriff in der Morgendämmerung.
3
    Ich weiß nicht, ob ein angreifendes Heer sich je in einer so trostlosen Lage befand wie unseres. Wir hatten nur noch Brot für einen Tag, und die ausgebildeten, disziplinierten Truppen der gegnerischen Allianz zogen langsam heran, um uns an Mauern, die in der Dunkelheit der Nacht uneinnehmbar schienen, zu erdrücken. Wir hatten keine Geschütze, um Breschen in die Mauern zu schießen, und das Pulver der spanischen Arkebusiere reichte gerade für einen oder zwei Schuß pro Mann; der Großteil davon war im unaufhörlichen Regen aufgeweicht und verdorben. Als ich am Lagerfeuer saß und zu den hohen Wällen emporsah, meinte ich, man könne ebensogut Felsen mit einem Holzhammer zertrümmern wie diese Mauern mit Pike und Schwert erstürmen.
    Der Herzog von Bourbon hatte seine Offiziere in das Kloster Sant’Onofrio zu einem Kriegsrat bestellt; inzwischen traten aber viele Soldatenräte an den Lagerfeuern zusammen. Diese Vertretungen waren seit Bologna immer häufiger und einflußreicher geworden, und bei den nunmehr abgehaltenen Beratungen wurden Wachen aufgestellt, um vor Eindringlingen auf der Hut zu sein. Das Hauptziel der Spanier war, die Stadt plündern zu können, fürchteten sie doch, durch Verhandlungen in elfter Stunde die unermeßliche Beute zu verlieren. Unter den Deutschen reifte der feste Entschluß, den Papst nicht entwischen zu lassen; er sollte ihnen seinen Reichtum überantworten und dann hängen. Wie die Spanier, so fürchteten auch sie, ihre Offiziere könnten ihnen die Früchte des Sieges entreißen. Im Laufe der Nacht wurden sie immer mißtrauischer, und Spanier wie Deutsche beschlossen, für eine Beute, wie sie kein Heer der Christenheit je davongetragen hatte, alles zu wagen. Die Botschaft von diesen geheimen Zusammenkünften verbreitete sich im ganzen Heer; es gab wohl nur wenige, die nicht davon erfuhren. Man hörte auch, daß der Papst den Herzog von Bourbon exkommuniziert und ihn dadurch in heftige Gewissenspein versetzt hatte.
    Bei Tagesanbruch wogten von den umliegenden Sümpfen Nebelschwaden ins Lager. Und als die Trommeln ertönten und die Trompeten zum Angriff bliesen, waren die Mauern Roms in dichten Nebel gehüllt, der uns sehr zustatten kam, weil er uns vor den Verteidigern verbarg. An zwei Stellen wurden Sturmleitern angesetzt, aber die Besatzung schlug beide Sturmtrupps in ihren Flinten und im Nahkampf zurück, während von der Engelsburg das dumpfe Dröhnen der Kanonen zu hören war.
    Des feindlichen Feuers nicht achtend, ritt der Herzog von Bourbon in wehendem weißem Mantel und schimmernder Rüstung, daran er leicht zu erkennen war, unsere Front ab. Seine großen Augen brannten in seinem abgezehrten Gesicht, als er, verwirrt und erbost über die Gleichgültigkeit seiner Leute, sie zum Angriff anfeuerte. Die Spanier stießen lediglich ihre Büchsengabeln in den Boden und zielten auf die Mauern, während die Deutschen sich flüsternd und murmelnd zusammendrängten.
    Über diesen Anblick ergrimmt, saß der Herzog unweit der Mauer von Campo Santo ab; er überredete die Deutschen, ihre Sturmleitern wieder aufzunehmen, und führte dann selbst den Angriff auf die unterste Schutzwehr. Viele Leitern hoben sich gleichzeitig in den Nebel, der immer noch über uns hing, und nicht einmal Augenzeugen wußten recht, was eigentlich vorging.
    Als aber der Herzog den Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter setzte, krachten sowohl bei den Belagerten wie bei den Belagerern mehrere Schüsse, und der Herzog fiel kopfüber herab und schrie: »Mutter

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