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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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daß mir das Blut in die Wangen stieg. In meiner Einfalt merkte ich damals nicht, daß ihre Lippen bemalt, ihre Augenbrauen ausgezupft und ihre Wangen mit weißem Puder gestäubt waren. Im weichen, reinen Licht der Wachskerzen schien sie mir die wunderbarste und schönste Frau.
    Wir ließen uns am Tisch nieder zu Ochsenzunge und gerösteter Gans, gewürzt mit Safran und Pfeffer, und tranken süßen spanischen Wein aus den schönsten Bechern, die in der Taverne aufzutreiben waren. Ich hatte nicht die entfernteste Ahnung, wieviel solch ein Mahl kosten mochte, aber alle meine Bedenken schwanden, und ich aß, so fein ich konnte, schnitt das Fleisch mit einem Messer in kleine Stücke, die ich mit den Fingern aufnehmen konnte, anstatt die Knochen nach gemeiner Manier in beide Hände zu nehmen und mit fettigem Mund daran zu nagen. Der feurige. Wein stieg mir rasch zu Kopf; ich vergaß all mein Elend und fühlte mich, als wäre ich im Himmel, umgeben von freundlichen Engeln. Und während wir speisten, blies der einäugige Flötenspieler aus den Drei Kronen in der Nebenkammer süße Melodien, bis Herr Didrik ihm Bier schickte und ihn entließ, zweifellos, weil er die miserable Musik nicht ertragen konnte. Statt dessen schlug er vor, zu singen, und wir stimmten ein paar kräftige Studentenlieder über die Eitelkeit irdischer Freuden an.
    Die Dame fand die Kammer bald etwas warm, ließ ihren hauchdünnen Schleier fallen und entblößte ihre Schultern. Ihr Mieder aus grünem Samt war mit Perlen bestickt, mit Goldfäden durchwirkt und mit einem Muster von roten Herzen geschmückt, die den Blick unwillkürlich auf ihre Brüste lenkten. Ich hatte noch nie ein so tief ausgeschnittenes Kleid gesehen, und der Beschauer konnte über die Formen der Dame nicht im Zweifel sein, wann immer sie eine unüberlegte Bewegung machte, obwohl sie ab und zu ihr Kleid vorne emporzog.
    Herr Didrik folgte der Richtung meines Blickes und meinte lächelnd: »Meine Schwester wurde nach der Heiligen getauft, und wenn wir in heiterer Gesellschaft sind, so möchte ich wünschen, sie würde durch ein ähnliches Wunder wie jene ausgezeichnet werden. Meine Schwester ist eine ergebene Bewunderin der höfischen Mode; aber laßt Euch das nicht anfechten, Michael. In diesen fröhlichen Zeiten kann man von keiner Frau verlangen, ihre schönsten Reize zu verbergen. Ja, die taktvollste Dame wird ermutigt, zu enthüllen, was immer des Enthüllens wert sein mag.«
    Mir war ziemlich heiß im Gesicht, und ich fragte, was der heiligen Agnes für ein Wunder widerfahren war. In Finnland war ihr Kult von dem des heiligen Heinrich verdrängt worden, und mir war sie unbekannt. Herr Didrik erklärte mir, daß ein römischer Richter sie nackt in ein Freudenhaus geschickt habe, weil sie als Christin die Hand seines Sohnes verschmäht hatte. Aber der Allmächtige hatte in seiner Gnade das Haar der heiligen Agnes so lang wachsen lassen, daß es einen schützenden Mantel bildete, in den sie sich hüllen und so ihre Keuschheit vor schamlosen Blicken und Händen bewahren konnte.
    »Wie Ihr seht, hat meine Schwester ihr Haar nach venezianischer Art rot gefärbt«, fuhr er fort. »Es wäre herrlich, sie in einen so feurigen Mantel gehüllt zu sehen. Aber mir gibt eine Frage zu denken, die nur ein gelehrter Kleriker beantworten könnte. Wenn solch ein Wunder sich wiederholen sollte – was meines Erachtens unwahrscheinlich ist, da meine Schwester nicht besonders schüchtern ist –, wäre ihr Haar dann in seiner ganzen Länge rot, oder würde es nahe dem Haupt seine natürliche Farbe behalten, so daß der dunkle Mantel nur einen breiten roten Saum hätte?«
    Ich gestand, die Frage sei für mich bei meiner dürftigen Gelehrsamkeit zu verwickelt, als daß ich mich darüber äußern könnte, obwohl ein vollkommener Gelehrter mit einer Disputation über dieses Thema an jeder Universität den Doktorgrad erwerben könne. Ich wagte jedoch zu behaupten, daß der Welt viel Freude vorenthalten würde, wenn Madame Agnes durch solch ein Wunder ausgezeichnet würde. Sie dankte mir lächelnd für das Kompliment. Herr Didrik sagte: »An Fürstenhöfen sind selbst hochgeborene Damen auf die Kurtisanen neidisch geworden und lassen sich nun von berühmten Malern splitternackt malen, um zu beweisen, daß sie sich keines Mangels zu schämen brauchen. Und was könnte herrlicher sein als das Leben in den Heilbädern, wo Männer und Frauen in aller Ehrbarkeit tagelang zusammen warme Bäder nehmen und nicht

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