Michael, der Finne
eigenen Erzbischof die Mitra vom Haupte reißen, um sich bei ihren gottlosen Herren einzuschmeicheln? Der gute König Christian wird die Wissenschaft fördern und allen begabten Männern, ungeachtet ihres Standes oder ihrer Geburt, dieselben Möglichkeiten bieten. Er ist ein treuer Sohn der Kirche. Je größer seine Macht, desto größer wird sein Einfluß am päpstlichen Hof sein, so daß selbst ein armer Mann auf ein Wort von ihm es im Priesterstand zu Ehren bringen kann. Denn ich fürchte, daß binnen kurzem in Finnland viele Chorstühle leer stehen werden, um mit Männern, die dem König und der heiligen Kirche ergeben sind, besetzt zu werden.«
Seine Worte erschreckten mich so, daß ich mich umsah, ob uns niemand lausche. »Edler Herr! Madame!« sprach ich mit zitternder Stimme. »Möchtet Ihr mich zum Hochverrat verleiten? Ich bin weder Soldat noch Verschwörer; ich bin ein friedlicher Scholar und verstehe von Politik so wenig wie die Kuh vom neuen Scheunentor.«
Allein Herr Didrik stand auf, hob den Becher und sagte in überzeugendem Ton: »Fern sei es von mir, an irgend derlei zu denken! Aber ist es Hochverrat, dem rechtmäßigen König den Weg in sein eigenes Land zu bahnen? Kann man es Verschwörung heißen, die Kirche gegen Lästerer und Spötter zu verteidigen, die in ihrem selbstsüchtigen Ehrgeiz der Pflichten ihres heiligen Amtes vergessen haben und unwürdig sind, Diener der Kirche zu sein? Nein, Michael. Alles, was ich wünsche und hoffe, ist, daß Ihr gleich einem ehrlichen und rechtdenkenden Mann auf König Christian und seine Ziele und auf Euren eigenen Vorteil jetzt und in Zukunft anstoßt.«
Ich mußte wohl oder übel gehorchen und leerte meinen Becher. Der schwere Wein strömte mir wie Feuer durch die Adern, und Madame Agnes lachte erregt, schlang mir die Arme um den Nacken und küßte mich auf beide Wangen.
Herr Didrik sprach ernst: »Ich will mich nicht länger verstellen. Als Ehrenmann scheue ich mich nicht, zu gestehen, daß ich mit Leib und Seele zu König Christian stehe und in dieses Land gekommen bin, um in seinem Sinn zu wirken. So sehr vertraue ich Euch; und unter uns kann ich Euch sagen, daß es in Abo mehr geheime Anhänger König Christians gibt, als Ihr denkt. Solltet Ihr Euch aber durch reichen Lohn verführen lassen, mein Vertrauen zu mißbrauen, so laßt Euch gesagt sein, daß Ihr bereits viele militärische Geheimnisse preisgegeben habt und ich leicht beweisen kann, daß Ihr mit mir auf die Gesundheit des Königs getrunken habt.«
»Ich will Euch nicht verraten«, versetzte ich mürrisch. »Aber nun müßt Ihr mich gehen lassen, denn es ist schon spät. Ich habe zuviel Wein getrunken und muß über vieles nachdenken.«
Sie versuchten nicht, mich zurückzuhalten, nachdem wir unsere nächste Zusammenkunft vereinbart hatten; aber es fiel mir schwer, aus ihrer Gesellschaft zu scheiden – das reine Licht der Wachskerzen und den dort zur Schau gestellten irdischen Reichtum zu verlassen. Es war mir, als bänden mich starke Fäden an sie, da ich nicht erkannte, daß das die Fangnetze des Satans waren. Ich glaubte an meine Gastgeber und an ihre Ehre.
Ich brauche nicht weiter auszuführen, wie Herr Didrik und besonders seine Schwester durch Winkelzüge und Versprechungen mich zu einem treuen und gehorsamen Verbündeten machten. Mehrere Monate diente ich ihm als Sekretär und machte mich bei seinen gefährlichen Ränkespielen nützlich. Doch will ich zu meiner Verteidigung anführen, daß ich dabei weniger an meine eigene Zukunft dachte, die mir Herr Didrik in so glühenden Farben ausmalte, als an den Frieden und das allgemeine Wohl, für das ich arbeitete, wie man mir versicherte. Mein Gewissen beruhigte sich auch bei dem Gedanken, daß Herr Didrik sich bald in Abo recht gut eingelebt und selbst die reichsten Bürger für sich gewonnen hatte. Er wurde zu Hochzeiten und Begräbnissen eingeladen und war auch Gast der Dreikönigsbrüderschaft, die höchste Ehre, die einem in der Stadt erwiesen werden konnte. Da also mein Brotgeber das, was er wissen wollte, bereits von anderer Seite erfahren hatte, sah ich in meiner Arbeit nichts Böses.
Er ließ dem St.-Olafs-Kloster und dem St. -Örjans-Hospital reichliche Spenden zufließen, und jedermann rühmte seine Leutseligkeit. Er war nicht zu stolz, sich mit gemeinen Soldaten, Matrosen und Lehrlingen in Gespräche einzulassen; es dauerte auch nicht lange, und er pries offen König Christian und seine vielen edlen Eigenschaften.
Nahm
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