Michael, der Finne
mehr als ein Lendentuch tragen – und selbst an schwimmenden Tischen Trick-Track spielen und ihre Mahlzeiten zusammen einnehmen?«
Ich bemerkte, daß in Finnland Männer und Frauen zusammen Dampfbäder zu nehmen pflegten, dies jedoch nur unter dem gemeinen Volk üblich sei und nur um der Reinlichkeit willen, nicht zum Vergnügen. Herr Didrik war neugierig und fragte mich, ob ich oft solche Bäder mit jungen Mädchen nähme, was ich entschieden verneinte. Er sah, daß ich verlegen war, wechselte einen Blick mit seiner Schwester und begann von anderen Dingen zu reden.
Der Tisch war nun abgeräumt. Er drehte seinen Becher in der Hand und fragte: »Michael, was haltet Ihr davon, daß die Stände den Erzbischof von Schweden abgesetzt und eingekerkert haben?«
Diese unvermittelte Frage verblüffte mich, doch antwortete ich vorsichtig: »Wer bin ich, mich über so hohe Dinge zu äußern? Der Erzbischof ist eines Ränkespiels gegen den Staat verdächtig, und die ehrwürdigsten Bischöfe hatten teil an seiner Absetzung; soll ich weiser sein als sie?«
Herr Didrik entgegnete aufgebracht: »So ist in Euren Augen der junge Sten Sture der Staat? Ist es nicht vielmehr so, daß die Anmaßung seiner ganzen Familie sie gelehrt hat, das Königreich für ihr Eigentum anzusehen, ungeachtet der Kalmarer Union, nach der König Christian von Dänemark der einzige rechtmäßige Herrscher ist?«
Ich bemerkte, daß die Jüten dem Königreich Schweden nur Blutvergießen und Verderben gebracht hätten und es keine grausameren und trügerischen Freunde geben könne. Wolle man in Abo ein ungezogenes Kind erschrecken, so genüge es, ihm zu drohen: »Der Jüte wird dich holen!«
Dies überraschte Herrn Didrik, und er versetzte ärgerlich: »Ich hielt Euch für einen verständigen Jungen, Michael, sehe aber, Ihr begnügt Euch damit, nachzuplappern, was andere gesagt haben, ohne einen Versuch, selbständig zu denken.«
Er begann darzulegen, was für ein entschlossener, fähiger und gnädiger Monarch König Christian sei. Er erklärte mir, seine Majestät hasse nichts mehr als die Unterdrückung durch den Adel und ergreife immer die Partei des Volkes gegen ihn. Seine Absicht sei, Lübecks Herrschaft über die Ostsee zu vernichten und Kopenhagen zu einem mächtigen Handelszentrum zu machen; seine Schiffe sollten ungehindert die See befahren, zum Gewinn seiner Untertanen, und es würde nicht lange dauern, bis sein Königreich mächtig und reich sei.
»Es ist nur eine Frage der Zeit«, fuhr Herr Didrik fort, »daß die hochmütigen schwedischen Herren zum Nachgeben gezwungen werden. Der Krieg steht vor der Tür, und König Christian kann jetzt jeden Tag mit seiner Flotte gegen Schweden in See stechen. Der kluge Mann liest die Vorzeichen und sichert sich durch sein gegenwärtiges Verhalten seinen zukünftigen Platz in der Gunst des Königs. Er ist der mächtigste Herrscher im Norden, und ich glaube, er wird als König Christian der Große in die Geschichte eingehen.«
Seine Worte machten auf mich tiefen Eindruck, denn ich hatte noch nie jemand so zuversichtlich über König Christian sprechen hören. Madame Agnes erzählte mir auch viele Beispiele von der Freundlichkeit des Königs gegen die Armen und sagte mir, er leihe dem Rat eines alten holländischen Bauernweibes ein willigeres Ohr als dem seines Hofadels. Dennoch wagte ich es, ihnen von meinen eigenen Erfahrungen von der Grausamkeit der Jüten zu berichten, an die mich die Narbe auf meinem Kopf bis auf jenen Tag erinnerte; und ich setzte hinzu, daß ein unbarmherziger Jüte meine Großeltern ermordet hatte.
Herr Didrik verstand es aber, auch dies ins Gegenteil zu verkehren, und entgegnete: »Wer hat die Dänen gezwungen, die finnischen Küsten zu verheeren? Wer sonst als die halsstarrigen Schweden, die gegen ihren rechtmäßigen König rebellierten? Und die Rebellion hat von einer Generation auf die andere übergegriffen, zum großen Schaden des gemeinen Volkes, das seinen Herren blind folgt.«
Er hob den Becher und sprach unverblümt: »Wir wollen nicht länger die Klingen kreuzen, Michael! Ich weiß mehr über Euch, als Ihr denkt, und das Herz tut mir weh beim Gedanken an die verächtliche Behandlung, die Euch zuteil geworden ist. Sagt an, hat irgendein schwedischer oder finnischer Adeliger Euch jemals eine Gunst erwiesen oder seinen Schutz angedeihen lassen? Die Kirche hat Euch ausgestoßen und die Priesterweihe verweigert – und was ist schon von Prälaten zu hoffen, die ihrem
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